Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Gefängnißverwaltung. 27 
Die Bestimmungen, welche das Deutsche Straf GB. über die Vollstreckung der 
Freiheitsstrafen, besonders der Zuchthaus= und G. enthält, lassen den Einzelstaaten 
einen weiten Spielraum. Es kann nicht blos vorkommen, daß eine Strafart in 
verschiedenen Staaten verschieden, sondern sogar in demselben Staate verschieden voll- 
streckt wird. G. können, vorausgesetzt, daß die Dauer derselben (über 12 Monate) 
es zuläßt, in Einzelhaft oder in Gemeinschaftshaft oder theils in Einzelhaft, theils 
in Gemeinschaftshaft vollstreckt werden. Nach den Motiven zu dem ersten Entwurfe 
des Straf GB. ist die Einzelhaft nicht als eine generisch härtere Strafe, vielmehr 
nur als ein anderer und zwar richtigerer Strafvollstreckungsmodus aufzufassen; sie 
darf jedoch ohne Zustimmung des Gefangenen die Dauer von 3 Jahren nicht über- 
steigen. Es findet daher für den in Einzelhaft verbüßten Theil der Strafe keine 
Reduktion statt. Außerdem ist bedingte Entlassung bei den in Einzelhaft und in 
Gemeinschaftshaft verbüßten Strafen zulässig, so daß eine dreifache Abstufung: Einzel- 
haft, Gemeinschaftshaft und bedingte Entlassung eintreten kann. Vgl. die Art. 
Einzelhaft und Progressivsystem. 
Landesgesetzliche Vorschriften dürfen nur G. bis zu 2 Jahren androhen, 
behalten aber ihre Gültigkeit auch insofern, als die Substituirung von Forst= oder 
Gemeindearbeit anstatt der G. nach wie vor zulässig ist. 
Lit.: Vgl. außer den Kommentaren, Lehr= und Handbüchern des Teutschen StrafR. 
die Lit. bei de Art. Einzelhaft und Progressivsystem. Dochow 
Gefängnißverwaltung. Die oberste Leitung und Aussicht über die Ge- 
fängnisse in Deutschland ist bis jetzt noch nicht Sache des Reichs, und nach dem 
Entwurf eines Gesetzes über die Vollstreckung der Freiheitsstrafen für das Deutsche 
Reich, welcher dem Bundesrath vorliegt, soll diese Leitung und Aufsicht auch künftig 
den Landesregierungen verbleiben; dagegen wird in dem Entwurf dem Reichskanzler 
die Befugniß vindizirt, behufs Ueberwachung der vorschriftsmäßigen Strafvollstreckung, 
über die Einrichtungen und Maßregeln, welche sich auf die Strafvollstreckung be- 
ziehen, Auskunft zu erfordern oder durch Entsendung von Kommissären sich zu 
unterrichten. In den einzelnen Deutschen Staaten ist die Leitung und oberste Auf- 
sicht über die Gefängnisse theils dem Ressort des Innern, theils dem der Justiz 
zugetheilt. Sie bezieht sich aber fast allenthalben nicht auf die Gefängnisse der 
Militärgerichte und den Vollzug der Festungsstrafen, in welcher Beziehung die 
Leitung den Militärbehörden zusteht. Auch der oben erwähnte Entwurf eines Straf- 
vollzugsgesetzes setzt fest, daß dadurch die Bestimmungen über die Festungshaft und 
die von den Militärgerichten vollstreckt werdenden Strafen nicht berührt werden sollen. 
1) In Preußen stehen die meisten eigentlichen Strafanstalten sowie das Unter- 
suchungsgefängniß, „Hausvoigtei“ in Berlin, unter dem Ministerium des Innern 
und beziehungsweise den Provinzialregierungen; dagegen die Gerichtsgefängnisse sonst 
meist unter dem Justizministerium, unter letzterem auch die großen Straf- 
gefängnisse Berlin (Plötzensee) und Hannover. Dem Ressort der Justiz sind auch 
zugetheilt die Gefängnisse in Bayern, Württemberg, Baden, Oldenburg, dem des 
Innern die Gefängnisse im Königreich Sachsen und in Hessen-Darmstadt. 
2) In einigen Staaten bestehen eigene Aufsichtsbehörden oder Kommissionen, 
die dem Ministerium untergeordnet sind, wie z. B. das Strafanstaltskollegium in 
Württemberg. 
3) In anderen Staaten, wie Bayern und Baden, bestehen die Aufsichtsräthe 
für einzelne Strafanstalten, vorzugsweise aber nur zur Kontrole des gesetzlichen Straf- 
vollzugs und nicht als vorgesetzte Behörden. 
4) Für Untersuchungs= und kurzzeitig verurtheilte Straf- 
gefangene bestehen nun meistentheils kleine Gefängnisse, über die ein Gericht oder 
Staatsanwalt die Aufsicht führt und denen sonst nur ein oder der andere Aufseher 
(Gefangenwärter) als nächster Aufsichtsbeamter vorsteht.
	        
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