Hochverrath. 319
fürsten als Inhaber der Landesstaatsgewalt. Doch ist der Begriff des H. nicht
davon abhängig, daß der Bundesfürst innerhalb des von ihm beherrschten Bundes-
staates angegriffen wird; es ist vielmehr für den Begriff des H. wenn auch nicht für
die Bestrafung desselben gleichgültig, wo der Bundesfürst innerhalb der Grenzen des
Deutschen Reiches sich befindet. Als Verfassungsbestimmungen, deren gewaltsame
Aenderungen den Begriff des H. bedingen, bezeichnet das Gesetz selbst diejenigen Be-
stimmungen, welche sich auf die Thronfolge beziehen; im Uebrigen wird es nicht
ausreichend sein, daß diese oder jene einzelne Verfassungsbestimmung geändert werden
sollte, sondern es wird thatsächlich festzustellen sein, daß die Verfassung — die
übrigens mit „Verfassungsurkunde“ nicht zu identifiziren ist — des Reiches, resp.
die Verfassung eines Bundesstaates, als Ganzes gedacht, geändert werden sollte,
d. h. daß der Angeklagte es beabsichtigt habe, an Stelle dieser Verfassung eine andere
Verfassung zu setzen. Durch Angriffe gegen das Reichsgebiet kann der H. be-
gangen werden, wenn ein Theil des Reichsgebietes einem fremden Staate einver-
leibt, oder wenn ein Theil des Reichsgebietes zu einem neuen selbständigen, jedoch
dem Reiche nicht mehr angehörenden Staate gemacht wird. Durch Angriffe gegen
das Staatsgebiet eines einzelnen Bundesstaates kann der H. begangen
werden, wenn ein Bundesstaat ganz oder theilweise einem anderen Bundesstaate
einverleibt, oder wenn Theile eines Bundesstaates von diesem losgerissen werden,
um aus denselben einen neuen selbständigen, jedoch Bundesstaat, herzustellen; denn
der H. gegen das Staatsgebiet eines einzelnen Bundesstaates kann überhaupt nur
in Frage kommen, so lange das Reichsgebiet selbst nicht Objekt des Angriffes bildet.
Als mögliche Subjekte des H. sind zu bezeichnen: Deutsche, welche sich innerhalb
des Deutschen Reiches aufhalten, ohne Rücksicht darauf, welchem einzelnen Bundes-
staate sie angehören; Ausländer, welche sich innerhalb des Reichsgebietes aufhalten;
Deutsche, welche sich im Auslande, und endlich Ausländer, welche sich im Auslande
befinden (zu vgl. sind: StrafG B. §§ 3, 4 Nr. 1). Der Wille des Thäters muß
darauf gerichtet sein, eine der im Straf GB. §§ 80, 81 bezeichneten Rechtsverletzungen
herbeizuführen; einer thatsächlichen Feststellung darüber, daß der Thäter den Willen
gehabt habe, den angegriffenen Staat in seiner Existenz zu gefährden, bedarf es
überall nicht. Zur Charakterisirung der strafbaren Handlung ist in Betreff des
gegen Verfassung und Staatsgebiet begangenen H. die Gewaltsamkeit vom Gesetze
erfordert worden. Vollendet ist der H., wenn eine derjenigen Rechtsverletzungen,
welche das Gesetz in den §§ 80, 81 vorgesehen, wirklich eingetreten sein sollte. Die
Strafbarkeit der H.handlung soll indessen der des vollendeten Verbrechens unter
gewissen Voraussetzungen auch alsdann gleich sein, wenn der H. begrifflich nicht
vollendet ist. Dies ist die Bedeutung des StrafGB. § 82, wonach auch der H.,
welcher begrifflich nur als versuchter H. aufgefaßt werden kann, in dem Falle
als vollendeter H. angesehen werden soll, wenn die Versuchshandlung derartig sich
gestaltet hatte, daß der Thäter zur Herbeiführung der hochverrätherischen Rechts-
verletzung ein weiteres Hinderniß nicht mehr zu beseitigen hatte. In allen Fällen,
in denen der Thäter zur Herbeiführung der hochverrätherischen Rechtsverletzung zuvor
noch ein Hinderniß zu beseitigen hatte, ist ein „Unternehmen, durch welches das
Vorhaben unmittelbar zur Ausführung gebracht werden soll,“ nicht vorhanden,
demnach auch nur die Strafe des versuchten, nicht aber die des vollendeten H. aus-
zusprechen. Die Strafe für den H. ist der Regel nach lebenslängliches Zuchthaus
oder lebenslängliche Festungshaft und bei Annahme mildernder Umstände Festungs-
haft nicht unter fünf Jahren. Ist durch die hochverrätherische Handlung eine
schwerere Strafe verwirkt, so tritt entsprechend allgemeinen strafrechtlichen Grund-
sätzen (Straf# B. § 73) diese schwerere und nicht H.strafe ein. Als gualifizirte
Fälle des H., die mit dem Tode zu bestrafen sind, führt das Gesetz (Straf GB.
§ 80) an: den Mord und den Versuch des Mordes, welcher begangen wird an dem
Kaiser, dem eigenen Landesherrn, oder während des Aufenthaltes in einem Bundes-