Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

360 Incidentsachen — Indemnität. 
worden. Indessen wird die Unfähigkeit noch von Mehreren aufrecht erhalten, für 
den Fall wenigstens wo die Eltern, ehelich oder außerehelich, wissentlich in 
Blutschande gelebt haben. — Die viel verbreitete Annahme einer Erbunfähigkeit der 
incestuosi der Mutter und den mütterlichen Verwandten gegenüber stellt sich bei 
richtigem Verständniß der Nov. 12 als durchaus unbegründet heraus; so Roßhirt, 
Keller, Bangerow, Tewes. — Auch von der Legitimation hat man sie ohne 
Grund ausgeschlossen. 
Sehr hart gegen die incestuosi ist das Franz. Recht: sie gelten im Ganzen als 
vater-, mutter-, verwandtenlos, ihre Ansprüche sind auf ein Minimum redugirt, sie 
dürfen weder legitimirt noch anerkannt werden; ob sie adoptirt werden können, ist 
kontrovers, muß aber bejaht werden, Das Preuß. L.N. hingegen zeichnet sie als 
besondere Klasse nicht aus. S. d. Art. Adulterini und Legitimation. 
Quellen: C. 5, 5 de irncestis et inutilibus nuptiis. — Nov. 12, c. 1; 74, c. 6; 89. 
c. 15. — Code Nap. art. 335, 342, 762—764. 
Lit.: Wächter, Civ.Arch. XVII. 14. — Bangerow, §8§§ 275, 413, 428. — Tewes, 
System des Erbrechts, §§ 12, 21. — Schirmer, Handbuch des Roͤm. Erbrechts, 8 12 
S. 225—231. — Köppen, System des heut. Röm. Erbrechts, § 5 S. 209—210. — Für das 
Französ. Recht: Laurent, IV. 136—163, 174—178, 209; IX. 141—144, 153. — Vering, 
Erbrecht, S 242, 270, 647—648. Nivier. 
Incidentfachen, s. Zwischenstreit. 
Indemnität. Der Begriff der Indemnitätsacte hat sich in der Englischen 
Staatsverfassung ausgebildet, seitdem ihr Grundcharakter als der einer Regierung 
nach Gesetzen sich festgestellt hatte. Das 17. Jahrhundert war dafür insofern 
entscheidend, als die Regierung der Stuarts alle offenen Stellen der Verfassung der 
Reihe nach bloßgelegt hatte. Jede dieser vier Regierungen führte deshalb zu einer 
Versicherung der verfassungsmäßigen Rechte. Den Schluß bildet die „Deklaration 
der Rechte“, welche nach der Vertreibung Jacob's II. dreizehn „prätendirte Ge- 
walten“ für illegal erklärt. Obenan steht der entscheidende Satz, „daß die behauptete 
Gewalt Gesetze oder die Ausführung von Gesetzen aus königlicher Machtvoll- 
kommenheit zusfuspendiren, oder davon zu dispensiren, illegal ist.“ Es war 
damit der Hauptpunkt der Verantwortlichkeit der unmittelbaren Diener des Königs 
festgestellt. Aller Schwerpunkt der rechtlichen Ministerialverantwortlichkeit liegt in 
der Ueberschreitung des königlichen Verordnungs= und Regulativ- 
rechts in solche Gebiete, welche durch Parlamentsgesetz festgestellt 
sind. — Es zeigte sich aber alsbald, daß nach einem revolutionären Dynastie- 
wechsel eine gesetzmäßige Regierung nicht buchstäblich festgehalten werden konnte. 
Schon in 1 Will. et M. c. 7 wurde durch förmlichen Gesetzbeschluß die Habeas- 
Corpus-Acte auf eine Zeit fuspendirt, und zugleich bestimmt, daß Personen, welche 
während jener Zeit unter ministeriellem Haftbefehl verhaftet worden, ohne Zulassung 
von Bürgschaft in Haft behalten werden können. In 1 Will. et M. sess. 2 c. 8 
ergeht, in Erwägung, daß zur Zeit des Regierungsantritts Wilhelm's III. mehrere 
mißvergnügte Personen ohne gesetzlichen Haftbefehl gefangen gesetzt worden, „eine 
Acte zur Verhinderung chikanöser Prozesse gegen Diejenigen, welche sich bei der Ein- 
setzung Ihrer Majestäten betheiligt, oder in ihrem Dienste gehandelt haben.“ 
Aehnlich in 2 Will. et M. sess. 2 c. 13: „eine Acte zur Verhinderung chikanöser 
Prozesse gegen Diejenigen, welche im Dienste Ihrer Majestäten zur Vertheidigung 
des Königreichs handelten.“ Noch einmal erfolgt eine Suspension der Habeas- 
Corpus-Acte in 7 et 8 Will. III. c. 11. Von da an liegen die Suspensionsacte 
— 6 Anne c. 15, sowie diejenigen unter Georg I., II. und III. — weiter aus- 
einander. Mehrmals gaben namentlich Rebellionen in Irland Veranlassung zur 
Suspension, deren Wirkung aber immer nur darin bestand, daß die Verhafteten 
„kein Recht darauf haben, während der Zeit der Suspension zur Bürgschafts- 
bestellung zugelassen, prozessirt oder in Freiheit gesetzt zu werden“. Dabei blieb die 
obrigkeitliche Person, welche den Haftbefehl erließ, immer noch verantwortlich, wenn
	        
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