Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

364 Infamie. 
J. legitimirte Wechselgläubiger braucht sich die Einreden gegen seinen Indossanten 
nicht gefallen zu lassen, wenn auch feststeht, daß nach dem Begebungsvertrage nur 
ein Prokura J. bezweckt war (Erk. d. ROOE- vom 2. Jan. 1872; Borchardt 
a. a. O. S. 107). Ob Theilindossa minte— statthaft sind, ist bestritten 
(Thöl, Handelsrecht, § 128 A. Nr. 1; Runtze, W. R., S. 84 und die dort cit. 
Lit.). Ueber Na chindossa mente, d. h. nach #ioril des Wechsels entstandene 
J., s. Thöl, Handelsrecht, S 128 C.; Erk. d. ROHG. vom 7. Mai 1872; 
Borchardt a. a. O. S. 125 und die S. 127—129 daselbst cit. Erk.; Hoff- 
mann, W. N., § 21 und die dort cit. Lit.; Ladenburg in Goldschmidt's 
Zeitschr. f. Oandelsrecht Bd. V. S. 415 ff. Ueber simulirte J. s. Busch's Archiv 
j. Theorie u. Praris d. O.= u. W. R. Bd. XXIX. S. 28 (Ladenburg), S. 108 
(v. Rräwel), Bd. XXX. S. 253 (Derselbe). — Nach denselben Grundsätzen wie 
Wechsel können auch andere Handelspapiere durch J. übertragen werden, so An- 
weisungen, Konnossemente 2c. 
Gsgb.: Deutsche W#O. Art. 9—17. — Deutsches HGB. Art. 301—305. — Code de 
Ccomm. art. 118, 136—142, 164—172; Franz. Ges. v. 28. Mai 1868 sur les négociations conc. 
les marchandises deposces dans les magazins généraux, art. 3—6. 
Lit.: Thöl, H. R., Bd. II. W.R., 4. Aufl., §§ 108—129. — Kuntze, W.R., 
Jotiz im Arch. f. W. R. Bd. IV. S. 374 ff.; Bd. V. S. 37 ff. unte ebenda, de vũ. 
— Hoffmann, ebenda, S. 112 ff. — Renaud, W. R. 8§ 49 ff. — Hoffmann, 
gy 20 ff. — Ueber simulirte IJ. s. Erk. d. NOG. v. 20. Dez. 1870; von Kräwel 
in- N. f. D. H. u. W. R., N. F. Bd. III. S. 113 ff. und im Fentralor en für H. R. Bd. 
X S. 263 ff. — üeber Warraut-J. s. Gareis, ebenda, Bd. VIII. — Geschihe 
d. J. s. Götz, Art. Giro, in Ersch u. Gruber's Eneykl., 1859. 1 78 ff. 
und die dort eit. Lit. — O. Wächter, Encykl. d. W.R., 1879, S. 478—546. 63 
areis. 
Infamie. 1) J., infamia juris, ist die durch gewisse Handlungen oder 
Zustände gesetzlich herbeigeführte Ehrenminderung einer Person, woraus Zurück- 
setzung dieser Person in einzelnen rechtlichen Beziehungen folgt. Hier soll nur von 
der privatrechtlichen Zurücksetzung die Rede sein. 
Das Röm. Recht knüpfte J. an gewisse Handlungen, theils unmittelbar 
(infamia immediata), theils vermittelt (mediata) durch Verurtheilung oder einen die 
Verurtheilung abwendenden Vergleich, aber stets so, daß die Handlung selbst, nicht 
die Verurtheilung als Grund der J. erschien. Solche Handlungen waren Ver- 
brechen, Vergehen, auch Privatdelikte, gewisse Unordnungen in Beziehung auf die 
Ehe, wie: zu frühe Wiederverehelichung der Wittwe, Doppelehe, Doppelverlöbniß, 
sodann Gewissenlosigkeiten in einzelnen Geschäftsverhältnissen, Fiducia, Gesellschaft, 
Mandat, Depositum, Vormundschaft, wozu unter den christlichen Kaisern eine Anzahl 
anderer Fälle, ohne inneren Zusammenhang und meist arbiträr hinzukam, welche 
vom Kanonischen Recht und von den Reichsgesetzen noch vermehrt wurde. 
Zustände, welche J. nach sich zogen, waren unehrliche Gewerbe: gewerbs- 
mäßige Unzucht beider Geschlechter, Kuppelei, Schauspielkunst u. dgl. 
Bangerow zählt fünf Kategorien von Gründen der infamia mediata und 
25 Gründe der infamia immediata auf. 
Die privatrechtlichen Wirkungen der J. betrafen theils das Eherecht, indem 
Männern von Stande die Ehe mit unehrlichen Weibern untersagt war, theils den 
Civilprozeß, indem die Unehrlichen absolut oder relativ unfähig waren, vor Gericht 
als Anträger zu erscheinen, zu postuliren. Im Justin. Recht besteht die letztere 
Zurücksetzung allein fort, und nur insofern der Richter selbst sie geltend macht. 
Heutzutage ist auch sie, bei ganz veränderter Gerichtsverfassung, als aufgehoben 
anzusehen. 
Auch jene Gründe der J. sind jetzt theils weggefallen, theils in neue, nach 
anderweitigen Grundsätzen normirte Begriffe (Verlust der Ehrenrechte als Strafe ver- 
schiedener Vergehungen!) ausgegangen, so daß sich von einer privatrechtlich wirkenden
	        
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