366 Inhaberpapiere.
sollte. Die Inhaberklausel erscheint als alternative oder als reine Inhaberklausel.
Jene, welche eine namentlich genannte Person oder den Inhaber nennt, tritt zuerst
in Italienischen Urkunden des 9. Jahrhunderts auf, wo sie lautet: N. aut cui hoc
scriptum in manu paruerit; seit dem 13. Jahrhundert begegnen die Fassungen
oder wer diesen brief innchat, oder dem behülter, dem inhaber dieses Briefes,
Vvel habenti has litterus, ou à celui qui cette lettre portera, ou au porteur. Die
reine Inhaberklausel spricht die Geltendmachung des Rechtes dem Inhaber schlechtweg
Zu, sie findet sich zuerst um die Mitte des 10. Jahrhunderts in Urkunden des
Fürstenthums Salerno und ist seit dem 13. Jahrhundert auch in Deutschland und
Frankreich nachzuweisen. Es sind die verschiedenartigsten Rechtsansprüche, deren
Geltendmachung auf den Inhaber gestellt wurde. Sogar das Mundium, Wergeld-
ansprüche, erbrechtliche Befugnisse wurden in dieser Weise verbrieft. Die ausgedehnteste
Anwendung fand das J. bei Schuld= und Rentenbriefen.
Die rechtliche Behandlung des J.charakterisirte sich dadurch, daß der Inhaber
zur gerichtlichen und außergerichtlichen Geltendmachung des Rechtes befugt war.
Als Kläger klagte er im eigenen Namen und war er durch das Papier an sich
legitimirt, ohne den Nachweis einer Begebung von Seite des ersten Nehmers führen
zu müssen. Ein Dritter, welcher ein Recht an dem J. behauptete, konnte gegen
den Inhaber nur dann durchdringen, wenn sich ergab, daß es jener in rechtswidriger
Weise an sich gebracht habe.
In Folge des Eindringens Römischer Rechtsanschauungen ist das Recht der JI.
zuerst in Frankreich, dann in Deutschland getrübt worden, indem die fremdrechtliche
Doktrin von dem Inhaber den Beweis der Begebung oder gar den Beweis einer
Cession oder Bevollmächtigung von Seite des ursprünglich Berechtigten verlangte.
Das praktische Rechtsleben hat diese Krisis nach längeren Schwankungen überwunden
und die Konsequenzen der fremdrechtlichen Theorie von sich abgewehrt. Es trat etwa
nur die eine Neuerung ein, daß die alternative Inhaberklausel auf ein ziemlich enges
Anwendungsgebiet beschränkt und fast durchweg durch die reine Inhaberklausel ersetzt
wurde, welche, wenn man sie überhaupt zuließ, die romanistische Auffassung am
wenigsten vertrug. Andererseits ist es aber der Theorie trotz unermüdlicher Arbeit
bis jetzt nicht gelungen, das deutschrechtliche Institut mit den Rechtsbegriffen des
Römischen Obligationenrechts juristisch zu konstruiren.
Heutiges Recht. Das JI. (Engl. security to bearer, Französ. billet au por-
teur, Holl. brengersbrief) ist eine Urkunde, kraft deren jedem Präsentanten derselben die
Geltendmachung des darin verschriebenen Rechtes zusteht. Der Inhaber wird im Ver-
hältniß zum Aussteller als Subjekt des Rechtes aus dem Papier behandelt, muß
jedoch nicht wirkliches Rechtssubjekt sein, denn er kann das Recht auch als bloßer
Mandatar geltend machen, ohne daß dieses Verhältniß nach Außen hin hervortritt.
Wesentlich ist dem J. eine Form der Ausstellung, aus welcher der Wille des
Ausstellers ersichtlich wird, daß die Geltendmachung des Rechtes dem jeweiligen
Inhaber zustehen soll. Das J. hat daher in der Regel die Inhaberklausel (dem
Inhaber, Ueberbringer, Einlieferer, Vorzeiger 2c.). Doch kann jener Wille des Aus-
stellers auch in anderer Weise zum Ausdruck gelangen. Man denke an die J. in
Quittungsform und an die Billets des täglichen Transport= und Gesellschaftsverkehrs.
Das Rechtsverhältniß, das durch die Ausstellung des J. begründet werden soll,
muß nach seiner praktischen Seite hin aus dem Papiere erkennbar sein. Neben-
verabredungen, die der Aussteller etwa mit dem ersten Nehmer getroffen hat, kann
jener dem dritten Präsentanten gegenüber nicht geltend machen. Doch kann der
Inhalt der Urkunde in einer allgemeinen Rechtsvorschrift oder in einem notorischen
Gebrauche seine Ergänzung finden. Namensunterschrift des Ausstellers ist in der
Regel nothwendig. Doch gelten bei Staatspapieren und bei den Billets und Marken
des täglichen Verkehrs Ausnahmen, die in der Natur der Sache liegen.