370 Inhaberpapiere.
incerta. Ist der Präsentant zugleich wahrer Gläubiger (redlicher Erwerber), so kann
das Schuldversprechen als ein Schuldversprechen zu Gunsten einer persona incerta.
wirken.
Um ein Rechtsverhältniß aus dem J. zu begründen, ist ein zweifaches noth-
wendig, erstens die Kreation des Papiers, zweitens eine bindende Erklärung des
Schuldners, dem Präsentanten des J. leisten zu wollen. Die Kreation an sich, das
mechanische Niederschreiben oder das Drucken oder Lithographiren u. s. w. der Urkunde
enthält diese Willenserklärung noch nicht. Diese wird vielmehr in der Regel erst
durch Abschluß eines Vertrags mit dem ersten Nehmer, durch die Tradition des
Papiers, das Geben und Nehmen desselben, durch den Begebungsvertrag, die Emission
ausgesprochen. Ist das Papier ohne Willen des Ausstellers in Auslauf oder Um-
lauf gelangt, so ist derselbe nicht gebunden es einzulösen, gerade so wenig, wie er
verpflichtet wäre, ein auf seinen Namen gefälschtes J. zu honoriren. Zur Kreation
kann aber auch ein bindendes einseitiges Versprechen hinzutreten, durch welches der
Aussteller sich verpflichtet, ohne Rücksicht auf einen Begebungsvertrag, das von ihm
ausgestellte Papier aus den Händen jedes Dritten einzulösen. Ein derartiges Ver-
sprechen kann in öffentlichen Erklärungen erblickt werden, welche dem Publikum die
Massenkreation von J. bestimmter Art ankündigen und direkt oder indirekt die Ein-
lösung jedes Papiers dieser Art versprechen.
Die Zulässigkeit der Kompensation, welche von Einigen behauptet wird, wird
von Anderen verneint, weil der Inhaber, der die Forderung geltend macht, nicht zu
sagen brauche, ob er selbst oder ein anderer der wahre Gläubiger sei. Uebrigens hat
die Streitfrage praktisch nur geringe Bedeutung, da es ja dem Besitzer des Papiers
freisteht, schlimmstenfalls das Papier durch eine getreue Hand präsentiren zu lassen.
Was die verzinslichen J. betrifft, so unterliegen die Zinsen nicht den Be-
schränkungen des Reichsgesetzes vom 14. Novbr. 1867; es besteht kein Kündigungsrecht
des Schuldners, wenn das relative Zinsmaximum von 6 Prozent überschritten ist.
Hinkende J. sind gewisse Papiere, welche nur dem Schuldner, nicht auch
dem Gläubiger das Recht geben, den Wortlaut der Inhaberklausel für sich geltend
zu machen. Der Schuldner ist nicht verpflichtet jedem Inhaber zu leisten; er ist
jedoch dazu berechtigt und wird, wenn er ohne weitere Legitimationsprüfung dem
Inhaber zahlt, durch diese Zahlung liberirt. Hierher gehören die Versicherungs-
polizen auf den Inhaber (Entsch. des ROS. II. 307, III. 339), ferner nach fest-
stehender Preuß. Praxis die auf den Namen lautenden Sparkassenbücher, wenn die
Sparkasse sich vorbehält, den betreffenden Betrag jedem Präsentanten zu zahlen.
Das Papier mit der alternativen Inhaberklaufel (an N. N. oder den Inhaber)
ist für den namentlich Genannten nicht nothwendig ein Präsentationspapier. Es
kann aus dem Charakter und aus dem sonstigen Inhalt der Urkunde hervorgehen,
daß der namentlich Genannte das bezeichnete Recht auch ohne Präsentation geltend
machen kann. Sofern dies nicht der Fall, wirkt die alternative Inhaberklausel nach
Analogie der reinen Inhaberklausel. Streitig ist die Frage über Zulassung von
Einreden aus der Person des Genannten. Im Eigenthumsprozeß um das I.
braucht der namentlich Genannte den Eigenthumserwerb nicht zu beweisen. Das
Sächsische BGB. behandelt (§ 1048) das Papier mit der alternativen Inhaber-
klausel als ein hinkendes J., eine Bestimmung, welche dem Wortlaut der Klausel
und damit dem Willen der Kontrahenten Gewalt anthut und der geschichtlichen
Entwickelung der J. widerspricht. Das Papier mit der Klausel an N. N. oder den
getreuen Inhaber ist nicht als Inhaber= sondern als Orderpapier aufzufassen, es
fordert den Beweis der Begebung durch den namentlich Genannten, welcher u. a.
durch schriftlichen Vermerk, insbesondere durch Indossament desselben erbracht wird.
Die Meinungen über die juristische Natur des Rechtsinstituts, welche fast
durchweg nur das obligatorische J. ins Auge fassen, gehen weit auseinander. Die
Meisten geben dem Inhaber eine Forderung gegen den Aussteller. Schwierigkeiten