Innungen. 373
oder als freie Genossenschaften fortzubestehen, die Neubildung aber der freien Assoziation
überlassen; bald wurden die alten Korporationen als öffentlich-rechtliche Verbände
mit bestimmter gewerblicher Kompetenz konservirt, während die Neubildung ähnlicher
Verbände unter staatliche Oberaufsicht gestellt wurde (so in Sachsen, Braunschweig
und mit Rücksicht auf die etwa beanspruchten Korporationsrechte auch in den kleinen
Sächsisch -Thüringischen Staaten); bald endlich wurde, wie in Preußen bes. seit
1849, die Form der J. gewählt, um Reste des alten Zunftwesens in Verbindung
mit einem weitgehenden Konzessions= und Aufsichtswesen zu konserviren oder wieder-
herzustellen. Einen Mittelweg schlug sodann die Gewerbeordnung des Norddeutschen
Bundes ein, die demnächst auch in den Süddeutschen Staaten und als Reichsgesetz
eingeführt ist. Hiernach garantirt das geltende Deutsche Reichsrecht allen gesetzlich
bestehenden J. oder Zünften den Fortbestand und läßt ihre Statuten, soweit sie
nicht der Gew.O. widersprechen, in Kraft; es wird indeß jedem Mitglied der Aus-
tritt jederzeit freigestellt und es kann andererseits der Eintritt in die J. nur bei
Nichterfüllung der im Statute vorgeschriebenen Bedingungen, unter denen sich die
Ablegung einer Prüfung nur für die noch nicht seit Einem Jahre selbständigen Ge-
werbtreibenden befinden darf, und in bestimmten gesetzlichen Fällen (Verlust der
bürgerlichen Ehrenrechte, Konkurs) versagt werden. Auch kann jede J., wenn sämmt-
liche Mitglieder gehörig unter Bezeichnung des Gegenstandes geladen sind, mit ab-
soluter Mehrheit der Anwesenden ihre Auflösung beschließen. In ähnlicher Weise
können unter den selbständigen Gewerbtreibenden gleicher oder verwandter Art neue
J. mit dem Hauptzweck der Förderung gemeinsamer gewerblicher Interessen und den
Nebenzwecken gegenseitiger Unterstützung 2c. gebildet werden und erlangen durch die
Bestätigung ihrer Statuten seitens der höheren Verwaltungsbehörden die Rechte einer
Korporation. Alle J. werden durch einen im Zweifel frei zu wählenden Vorstand
nach außen vertreten, während das Recht der Beschlußfassung der von allen stimm-
berechtigten Mitgliedern gebildeten Innungsversammlung zusteht. Auf die Wittwe
oder den minderjährigen Erben eines verstorbenen Genossen gehen, wenn sie dessen
Gewerbe fortsetzen, alle Rechte mit Ausnahme des Stimmrechts über. Die J. haben
die Rechte und Pflichten öffentlicher Korporationen. Sie sind in einem freilich nicht
näher bestimmten Umfange berufen, die Interessen des betreffenden Gewerbes mit
öffentlicher Autorität zu vertreten. Durch das Gesetz betreffend Abänderung der
Gew. O. vom 17. Juli 1878 § 129 haben sie das Recht erlangt, Lehrbriefe statt
der sonst dem Lehrling zu ertheilenden Zeugnisse auszustellen. Als öffentliche Kor-
porationen stehen die J. unter Aufsicht der Gemeindebehörde, an deren Genehmigung
namentlich Verträge über Erwerbung, Veräußerung oder Verpfändung von Liegen-
schaften und die Aufnahme größerer Darlehne gebunden sind. Doch fällt die früher
erforderliche Bestätigung des Vorstands und die Beschickung der Versammlung durch
obrigkeitliche Deputirte, außer wenn es sich um Statutenänderung oder Auflösung
handelt, fort. Als Beschwerdeinstanz steht über der Gemeindebehörde die höhere
Verwaltungsbehörde. Das Vermögen einer aufgelösten J. kann nur soweit, als es
aus Beiträgen der Mitglieder entstanden und nicht bisher für öffentliche Zwecke be-
stimmt war, vertheilt werden: im Uebrigen fällt es an die Gemeinde zur Ver-
wendung für gewerbliche Zwecke.
In neuester Zeit ist eine lebhafte Bewegung entstanden, deren Ziel die Kräftigung
und Neubildung des Innungswesens ist. Theils sind auf Grund der bestehenden Gesetz-
gebung Versuche zur Organisation lebensfähiger J. gemacht (besonders nach dem vom
Oberbürgermeister Miquel für Osnabrück entworfenen Statut), theils wird eine
Reform des von den J. handelnden Tit. VI. der R.Gew. O. unter Erweiterung der
Kompetenz der J. angestrebt.
Quellen: Preuß. Gew.O. v. 17. Jan. 1845 §§ 88—124; Verordn. v. 9. Febr. 1849
u. Ges. v. 15. Mai 1854. — Oesterr. Gew.O. v. 20. Dez. 1859 §§ 106—130. — Brem. v.
4. April 1861 §§ 1, 5, 6. — Oldenb. v. 11. Juli 1861 Art. 39—42. — Sächs. v. 15. Okt.