380 Interusurium.
Außerordentlich bestritten ist seit Jahrhunderten die Frage, ob bei den be-
tagten Verbindlichkeiten der Eintritt des Termins an und für sich hinreiche, den
Schuldner in moram zu versetzen (dies interpellat pro homine 7), oder ob auch hier
eine Mahnung erforderlich sei! Einige, namentlich Französische Romanisten des 16.
Jahrhunderts erklärten sich für letztere Ansicht, und ihnen ist der Code Nap. gefolgt,
insofern J. nur dann überflüssig sein soll, wenn im betagten Vertrage ausdrücklich
bestimmt ist, daß durch den bloßen Ablauf der bestimmten Zeit und ohne daß
es einer weiteren Handlung bedürfe, der Schuldner in Verzug sein solle. Dagegen
stellten schon die Glossatoren und Kommentatoren das Prinzip diem interpellare pro
omine auf, und dasselbe haben die Niederländer und Deutschen vom 17. und
18. Jahrhundert wenigstens in der Doktrin des Gem. Rechts vollständig obsiegen lassen,
von wo es in verschiedene neuere Gesetzgebungen Eingang gefunden hat, so z. B.
in das Preuß. LR., wonach Aufforderung zur Erfüllung nur dann nöthig ist, wenn
die Zeit der Erfüllung weder durch Willenserklärung noch durch besondere Gesetze
bestimmt ist. — Dieser Satz scheint übrigens bereits im 7. Jahrhundert, wenn nicht
schon unter Justinian in Konstantinopel gegolten zu haben. Für das klassische Recht
aber muß er verworfen werden. Es ist vor Allem auf die Absicht der Parteien
bei der Befristung zu sehen. Im Zweifel wird nicht vermuthet werden können,
daß diese Absicht auf Dispensation von der Mahnung gerichtet sei. Denn der dies
wird in der Regel zu Gunsten des Schuldners hinzugefügt; es kann dessen Eintritt
doch nur die Wirkung haben, daß die Verbindlichkeit praesens wird, und der
Schuldner einer obligatio praesens ist nicht verpflichtet ad ultro offerendum.
Quellen: Vgl. hinter d. Art. Mora. Außerdem A. LR. I. 16 88 20, 67. — Code
Nap. art. 1139.
Lit.: S. auch die Lit. hinter d. Art. Mora. — Ferner bes.: Vangerow, § 588 Anm.
2. — Windscheid, §§ 278—279. — Arndts (Serafini), § 251. — Hervorzuheben find
gegen den S i. p. h.: Neustetel im Arch. f. civ. Praxis, V. — Schröter in Linde's
Itlor IV. VII. — Gesterding, Ausbeute von Rachforschungen, V. — Seuffert,
112; XXv. 224. — Für den Satz D. i. p. h.: Thibaut, im Arch. für eiv. Praxis,
“** Ia#e — Beckendorff, Dies zukerpeuat pro homine, Heidelb. 1835, u. A. m. —
Die Lehrbücher sind getheilter Ansicht. — Ueber brieflliche J.: Siebenhaar, Ztschr.
f. Rechtspfl. u. Verw., XXVIII. — Seuffert, XXIV. 196. Rivier.
Interusurium (esommodum repraesentationis sive temporis) ist
der Vortheil, welcher dem Gläubiger einer unverzinslichen Summe Geldes daraus er-
wachsen kann, daß ihm diese Summe vor der Verfallzeit bezahlt wird. Offenbar
besteht dieser Vortheil im Genusse der Zinsen in der Zwischenzeit von der Zahlung
bis zum Verfalltermin. Die frühzeitige Zahlung, repraesentatio, berechtigt den
Schuldner nicht, einen dem Zinsgenusse entsprechenden Abzug, Diskonto, Ra-
batt, zu machen; vertragsmäßig kann aber ein solcher bestimmt sein, oder der
Gläubiger kann sich bei der Zahlung damit einverstanden erklären. Sehr bestritten
ist die Art der Berechnung des Abzugs. Es handelt sich darum „einerseits eine
Summe zu bestimmen, welche, mit Hinzurechnung des inzwischen möglichen Zins-
gewinnes, zur Zeit dex Fälligkeit das Kapital ergiebt, welches dann zu zahlen wäre,
oder andererseits die Summe zu bestimmen, welche, ebenfalls mit Hinzurechnung des
inzwischen davon möglichen Zinsgewinns, am Ende der Zahlungsfrist so viel aus-
macht, als der Schuldner durch das bis dahin noch ihm gebührende J. der Schuld-
summe hätte gewinnen können“ (Arndts). Arithmetisch offenbar ganz unrichtig
und doch praktisch und für sehr kurze Zeiträume unschädlich ist die Pinkhard-
Carpzov'sche Methode, wonach, wenn z. B. 500 ein Jahr vor Verfall bezahlt
werden, das J. einfach einen Jahreszins beträgt, also zu 5 Proz. 25. Richtig
hingegen ist die in Preußen gesetzlich anerkannte Leibnitz' sche Methode, welche die
Summe ermittelt, die mit Zinsen und Zinseszinsen nach einem Jahre 500 sein
wird. Eine dritte von G. A. Hoffmann (1731) vorgeschlagene Methode nimmt
auf Zinseszinsen keine Rücksicht, verkürzt also ungerechter Weise den Schuldner. Ob