400 Irrthum.
S. 343 ff.), der die Bedeutung des sog. unechten J. als negative Funktion, die
des sog. echten als positive Funktion kennzeichnet. Der allgemeine Werth der Unter-
scheidung liegt vor Allem darin, daß in den Fällen, wo der J. nur aus dem
Grunde erheblich wird, weil er die erforderte wahre Vorstellung ausschließt, im
Zweifel jede Art von J., auch der verschuldete, gleichwerthig ist, während der als
rechtsbegründender Faktor geltende J. nach dem Willen des Gesetzes möglicher
Weise noch einer besonderen Qualifikation, z. B. der Entschuldbarkeit, bedarf. Ins-
besondere aber tritt jene Unterscheidung praktisch hervor bei Rechtsgeschäften.
Faßt man diese im Wesentlichen mit der herrschenden Lehre als diejenigen juristischen
Handlungen, denen das Recht Wirkungen wegen der darauf gerichteten Absicht des
Urhebers beimißt, so ergiebt sich folgerecht, daß bei gewissen J. des Handelnden
der rechtsgeschäftliche Thatbestand nicht vollständig und das Geschäft daher nichtig
ist; so bei einem J. über das eigene Thun, welches dann nicht mehr als bewußt
gewollte Handlung erscheint, und bei einem J. über die aus der Handlung zu
entnehmende Absicht. Wogegen ein J. im Motiv die rechtliche Existenz des
Rechtsgeschäfts in keiner Weise hindert, wol aber unter gewissen Voraussetzungen
die weitere Rechtswirkung begründet, daß der Irrende ein Recht auf Anfechtung
jenes Geschäfts oder auf Schadensersatz erwirbt (Zitelmann, S. 340).
I. Als Fälle, in denen der J. jene rein negative Bedeutung als Erkenntniß-
grund für das Nichtvorhandensein rechtsgeschäftlicher Requisite hat, sind namentlich
folgende hervorzuheben. 1) Eine Thätigkeit ohne bewußten Willen kommt z. B. dann
vor, wenn man sich verspricht, verschreibt, vergreift oder überhaupt abirrt von dem
gewollten Akt; si dum vult lancem relinquere, vestem — — ipse scripsit (1. 9
§& 1 D. d. her. inst. 28, 5). 2) Ein Handeln, bei welchem der Handelnde nur ver-
kennt, daß dadurch eine von ihm nicht gehegte juristische Absicht ausgedrückt
wird (indem er über den Erklärungswerth des von ihm gewollten Aktes irrt), kommt
vor z. B. in Folge von Unkenntniß sprachlicher Ausdrücke (z. B. einer Münz-
benennung) oder bei Unterzeichnung einer Urkunde, über deren Inhalt man irrt
(I. 10 C. de don. 8, 53 und dazu Zitelmann in den Jahrb. f. Dogm. XVI.
S. 400; ferner I. 5 C. plus valere 4, 22), oder wenn die zur Aeußerung benutzten
Zwischenglieder, wie Bote, Telegraphist, Schreiber, eine andere, als die ihnen auf-
gegebene Erklärung verlautbaren (I. 9 § 1 D. cit. sive scribendum dictaverit). In
beiden unter 1 und 2 erörterten Arten von Fällen können die Punkte, in denen der
abgegebenen Erklärung Wille oder Absicht des Erklärenden nicht entsprechen, sehr
verschieden sein. Am häufigsten betrifft der J. a) die Art des beabsichtigten Ge-
schäfts (error in negotio); man beabsichtigt Miethe und erklärt Kauf (I. 5 C. cit.);
b) die Person, auf welche die Absicht gerichtet ist (error in persona); man beab-
sichtigt, “zum Erben zu ernennen und ernennt B (1. 9 pr. D. d. her. inst. 28, 5);
c) den Gegenstand, über den man zu verfügen beabsichtigte (error in corpore); die
Absicht ging auf das Haus Nr. 1, man nennt ein anderes (1. 9 § 1 D. eod; I. 10
C. cit.). Im Einzelnen ist bei allen diesen Fällen Streit, namentlich auch darüber,
ob und inwiefern ein J. über Eigenschaften der Person oder Sache die Ueberein-
stimmung von Wille und Erklärung ausschließe. Nach Savigny nimmt man
dies meistentheils an bei sog. wesentlichen Eigenschaften. Dagegen jedoch neuerdings
Zitelmann, S. 549 ff.; noch anders neuestens Pfersche, Zur Lehre vom sog.
error in substantia, Graz 1880. Uebrigens kann auch bezüglich anderer Punkte,
als der unter a bis c aufgezählten, z. B. bezüglich des Inhalts, der Art und des
Orts der Leistung, auf welche die Absicht gerichtet war, ein J. das Vorhandensein
der entsprechenden Erklärung ausschließen, so daß das scheinbar errichtete Rechts-
geschäft rechtlich nicht besteht. Der hier zu Grunde gelegten Savignyfschen Lehre
ist allerdings neuerdings eine andere gegenübergetreten, nach welcher in den Fällen,
wo der Handelnde den Erklärungsakt, aber nicht den dadurch ausgedrückten Inhalt
gewollt hat, wie z. B. bei Unterzeichnung einer etwas anders, als er meinte, ent-