Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Juden. 417 
Volk abspiegelt. Die J. sollten keine christlichen Dienstboten halten, besondere Ab- 
zeichen (meistens gelbe Ringe) an ihren Kleidern tragen, die Christen nicht mit 
ihnen gemeinsam essen und sich nicht von jüdischen Aerzten behandeln lassen. Ihre 
Eide mußten die J. unter besonderen, oft gerade zur Verhöhnung ihrer Religion 
dienenden Formalitäten ableisten und unterstanden sie auch im Allgemeinen dem 
weltlichen Strafrecht, so wurden sie doch, eben weil sie J. waren, vielfach mit 
höherer Geldbuße als die Christen in gleichem Falle belegt und die Leibesstrafen an 
ihnen auch in besonders beschimpfender Weise vollzogen. Daß der Uebertritt zum 
I.thum im Mittelalter als weltliches und kirchliches Verbrechen galt, war selbst- 
verständlich. Oft zerstörten und beschimpften die Christen sogar trotz der fortbestehenden 
Verbote in roher Weise die jüdischen Synagogen und Begräbnißplätze. — Die Ver- 
suche der Deutschen Reichsgesetzgebung des 16. Jahrhunderts, welche das Wucher- 
privilegium aufhob, dafür den J. aber die Ernährung durch „ziemliche Hand- 
thierung und Handarbeit“ gestattete, den J. eine bessere Stellung zu geben, waren 
erfolglos, da man andererseits an einem Theil der sie herabwürdigenden Vor- 
schriften festhielt, und noch in den Accifseordnungen Deutscher Länder und den 
Sächsischen J.ordnungen des 18. Jahrhunderts wird der Jude wegen des zu ent- 
richtenden Leibzolls unter den Waaren und unter dem Zug= und Schlachtvieh auf- 
geführt. Erst in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts erhoben namentlich 
C. K. W. v. Dohm und Mirabeau ihre Stimmen für die Verbesserung der 
bürgerlichen Lage der J. Während der Leibzoll schon in Oesterreich 1782, in 
Preußen 1787 und in Bayern 1799 abgeschafft wurde, gab dann die Französische 
Revolution den Anstoß zu der bürgerlichen Gleichstellung der J. mit den Christen, 
welche in Folge der Einführung der Französischen Gesetzgebung in den Rheinlanden 
auch in den letzteren eintrat und ferner schon im Jahr 1811 in Frankfurt a. M., 
im Jahr 1812 in Preußen erfolgte. Die Deutsche Bundesakte vom Jahr 1815 
erkllärte im Art. 16, daß „die Bundesversammlung in Berathung ziehen werde, wie 
auf eine möglichst übereinstimmende Weise die bürgerliche Verbesserung der Bekenner 
jüdischen Glaubens in Deutschland zu bewirken sei und wie insonderheit denselben 
der Genuß der bürgerlichen Rechte gegen die Uebernahme aller Bürgerpflichten in 
den Bundesstaaten verschafft und gesichert werden könne. Jedoch werden den Be- 
kennern dieses Glaubens bis dahin die denselben von (im Gegensatz zu in, wie die 
erste vorgeschlagene Formulirung lautete) den einzelnen Bundesstaaten bereits ein- 
geräumten Rechte erhalten“. Aus der Fassung des letzteren Satzes erklärt es sich, daß 
die J. theilweise wieder schlechter als durch die Französische Gesetzgebung gestellt werden 
konnten. Auch führte die erwähnte Bestimmung der Bundesacte, welche durch den 
Deutschen Bund niemals zu näherem Vollzug gebracht worden ist, nicht die völlige 
Gleichstellung der J. mit den Christen herbei, nur in einzelnen Deutschen Staaten 
(so z. B. Preußen, Kurhessen, Sachsen-Weimar) wurde den ansässigen J. das Staats- 
bürgerrecht beigelegt, während ihnen sonst vielfach nur besondere einzelne Berechtigungen 
ertheilt wurden. Erst die Bewegungen des Jahres 1848 haben für die J. in einer 
Reihe von Deutschen Staaten die volle Emanzipation und den Genuß der staats- 
gürgerlichen Rechte herbeigeführt, da die Verfassungen derselben (so von Preußen, 
Baden, Oldenburg, Koburg-Gotha) den Grundsatz der Deutschen Grundrechte von 
1849 sanktionirt haben, daß der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen 
kechte durch das religiöse Bekenntniß weder bedingt noch beschränkt werde; wiewol 
keilich die Staatspraxis sie mitunter (so in Preußen) noch von manchen Staats- 
mtern bis zu dem Erlaß des Norddeutschen Bundesgesetzes vom 3. Juli 1869, 
Jgelches das in den Grundrechten ausgesprochene Prinzip der Gleichstellung wieder- 
olte, ausgeschlossen hat. Wo jener Grundsatz nicht ausgesprochen war, hatten die 
. aber doch meistens auf dem Wege der Spezialgesetzgebung die Gleichstellung mit 
en Christen selbst hinsichtlich einer Reihe von politischen Rechten, so namentlich des 
jemeindebürgerrechts, des Wahlrechts zu den Volksvertretungen, des Geschworenen- 
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon II. 3. Aufl. 27
	        
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