Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

422 Juristische Person. 
Einzelmenschen ist die Rechtsfähigkeit der j. P. einerseits nothwendig enger, weil 
alles mit der leiblichen Individualität zusammenhängende Recht, wie das ganze 
Familienrecht, hier fortfällt; andererseits nothwendig weiter, weil sich der j. P. 
dadurch, daß ihre innere Organisation Gegenstand der Rechtsordnung ist, eine beim 
Individuum undenkbare Sphäre eigenthümlicher Rechte erschließt. 
Die j. P. ist aber auch willens- und handlungsfähig. Denn da sie 
ein gegliederter und als einheitliches Ganze thätiger Organismus ist, so kommt in 
den Beschlüssen und Handlungen ihrer Glieder und Organe unmittelbar die Einheit 
des Ganzen zur Erscheinung. Hier besteht aber der durchschlagende Unterschied von 
der Einzelperson, daß, weil die j. P. ein zusammengesetztes Wesen ist, dessen Glieder 
und Organe selbst wieder Personen sind, auch ihr inneres Leben in das Rechts- 
gebiet fällt. Während also das Individuum lediglich in seinem äußeren Leben vom 
Recht ergriffen wird, bedarf die j. P. einer Verfassung, welche ihren Organismus 
zum Rechts organismus ausprägt. Und diese Verfassung entscheidet ausschließlich 
darüber, wie die Willensbildung der j. P. mit rechtlicher Wirkung stattfindet, welche 
Funktionen von den einzelnen Organen mit rechtlicher Wirkung für den ganzen 
Körper geübt werden, welche Willenserklärungen und Handlungen als Akte der j. P. 
selbst rechtlich gelten. 
Dem Staate steht über das Leben der j. P. prinzipiell nur eine Oberausfsicht, 
keineswegs dagegen eine Obervormundschaft zu. 
Innerhalb dieses allgemeinen Rahmens ist das für die j. P. geltende Recht 
von solcher Ungleichartigkeit, daß sich speziellere Regeln nur für die einzelnen Arten 
der j. P. aufstellen lassen. Hier ist daher nur noch zu erwähnen, welche Arten 
der j. P. im heutigen Recht zu unterscheiden sind. 
Die vornehmste j. P. ist der Staat, welcher durch das ihn von allen anderen 
Personen unterscheidende Merkmal der Souveränetät eine besondere Stellung einnimmt. 
Seine staats= und völkerrechtliche Persönlichkeit ist der Ausgangspunkt aller öffentlich- 
rechtlichen Disziplinen. In seiner Eigenschaft als Subjekt von Vermögensrechten 
wird er als „Fiskus“ bezeichnet. Der Fiskus ist jedoch keineswegs als ein vom 
Staat verschiedenes Rechtssubjekt aufzufassen. 
Im Uebrigen zerfallen die j. P. in die beiden Grundtypen der Körperschaft 
und der Anstalt. Die Körperschaft ist eine zur Einheit verbundene Bielheit; ihr 
Körper ist ein Vereinsorganismus; ihr belebendes Prinzip ist der einer Personen- 
gesammtheit immanente Gemeinwille; ihre Persönlichkeit ist also eine Gesammt- 
persönlichkeit (vgl. über ihr Recht den Art. Korporationen). Die Anstalt ist 
eine von außen für irgend einen rechtlichen Verband konstituirte Einheit; ihr Körper 
ist ein Anstaltsorganismus, vermöge dessen eine bestimmte Reihe von Menschen 
einem außer ihnen liegenden Zwecke dienstbar wird; ihr belebendes Prinzip ist ein 
von einem außer ihr stehenden Willen abgezweigter und individualisirter Theilwille; 
ihre Persönlichkeit ist den durch sie verbundenen Personen nicht immanent, sondern 
transcendent. Doch giebt es auch Mischungen beider Formen, so daß man von 
Körperschaften mit anstaltlichen Elementen (wie Innungen, Deichverbände, Gemeinden) 
und von Anstalten mit korporativen Elementen (wie Universitäten, die katholischen 
Kirchenanstalten rc.) sprechen kann. 
Zu den personifizirten Anstalten gehören außer vielen öffentlichen Instituten 
auch die Stiftungen. Sie sind Schöpfungen des Privatwillens, der hier die 
außerordentliche Macht erhalten hat, über seinen natürlichen Bestand hinaus in 
einer dauernden, mit Vermögen dotirten Veranstaltung sich fort und fort zu ver- 
wirklichen (vgl. über sie Th. I. S. 360). 
Das Röm. Recht legt außerdem der hereditas jacens Persfönlichkeit bei, 
indem es im Zusammenhange mit seiner Auffassung der Universalsuccession in ihr 
die vermögensrechtliche Persönlichkeit des Erblassers bis zu deren Uebernahme durch 
den Erben als fortlebend annimmt.
	        
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