Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

426 Kahrel — Kaiserthum. 
15. Nov. 1836. — England: (ustoms consolidation acts 1876 sect. 141 u. 185 d, sect. 
324. — Türkei: Handels= und Schiffahrtstraktat mit den Hansestädten vom 18. Mai 1839 
und Deutscher Handelsvertrag vom 20. März 1862 Art. 1. 
Lit.: Esperson, Hiritto diplomatico, II. 2 p. 6. v. Holtendorff. 
Kahrel, Herm. Friedr., 56 1719 zu Detmold, lehrte zu Rinteln, dann 
Prof. der Philosophie in Marburg, J 1787. 
1066r schrieb u. A.: Völkerrecht, Herborn 1750. — Diss. de sanctitate legatorum, Marb. 
Lit.; pütter, Lit., II. 120.— Kaltenborn, Kritik, S. 76. — Ompteda, I. 328; 
II. 409; III. 261. — Heffter, Völkerrecht, § 10. Teichmann. 
Kaiserthum, das Deutsche. I. Begriff des Kaiserthums. Während die 
Staatsform des alten Reiches bis zu seiner Auflösung im formell juristischen Sinne 
eine monarchische war, ist bei Aufrichtung des neuen Reiches prinzipiell der mo- 
narchische Gedanke nicht zu Grunde gelegt worden. Träger der Souveränetät im 
neuen Reiche ist nicht Ein Herrscher, sondern eine Mehrzahl von Staatsoberhäuptern 
in korporativer Einheit, welche im Bundesrath ihre Repräsentation findet (s. den 
Art. Bundesrath). Nichts ist juristisch zweifelloser, als daß nach geltendem Reichs- 
recht der Deutsche Kaiser nicht Souverän des Reiches ist. Korrekter Weise wurde 
unter diesen Umständen der Kaisertitel ohne territoriale Beziehung formulirt (nicht 
„Kaiser von Deutschland“, sondern „Deutscher Kaiser"). 
Wenn man gleichwol nach Aufrichtung des gesammtdeutschen Bundesstaates, 
dem lebhaften Wunsche der Nation folgend und auf direkte Anregung des Königs 
von Bayern, zurückgriff auf die alten Bezeichnungen einer ruhmvollen Tradition: 
Kaiser und Reich, so ist der staatsrechtliche Begriff „Reich“ einfach identisch mit 
Bundesstaat, der staatsrechtliche Begriff „Kaiser“ dagegen ist nach dem geltenden 
Rechte positiv nicht ohne Schwierigkeit zu konstruiren. Der Norddeutsche Bundes- 
staat vom 1. Juli 1867 bis 1. Januar 1871 hatte den Kaisertitel nicht gekannt: 
die Norddeutsche Bundesverfassung spricht an den einschlägigen Stellen von „Bun- 
despräsidium“, in dem Abschnitt über das Militärwesen vom „Bundesfeldherrn“, 
eine einheitliche Redaktion wurde sodann durch das Norddeutsche Straf G. durch- 
geführt, indem durchweg die Bezeichnung „Bundesoberhaupt“ gesetzt wurde. Durch 
das Verfassunges. vom 16. April 1871 (R.G. Bl. S. 63) wurde endlich die geltende 
Terminologie hergestellt. - 
Eine sachliche Aenderung fand durch das letztgenannte Gesetz nicht statt: das 
Deutsche K. ist demnach identisch mit dem Norddeutschen Bundes— 
präsidium (NMerf. Art. 11 Abs. 1). Letzteres aber hatte folgende staatsrechtliche 
Bedeutung: Angesichts der faktischen Hegemonie Preußens in dem neu aufgerichteten 
Bundesstaate, Angesichts ferner des Umstandes, daß Preußen staatsrechtlich und 
militärisch die lang ersehnte Einheit der Nation hergestellt hatte, legte man bei 
Feststellung der Verfassung dem führenden Staate und dessen Oberhaupte eine Reihe 
besonderer Vorrechte im Bundesorganismus bei. Diese Vorrechte sind zwar eine 
Abweichung von dem Prinzipe der Gleichberechtigung der Mitglieder des Bundes- 
staates, aber sie sind nicht Ausnahmsrechte (sog. „Reservatrechte"), die nach der RVerf. 
Art. 78 Abs. 2 zu behandeln wären; sie sind vielmehr integrirende Bestandtheile der 
Verfassung und in diesem Sinne geradezu ein Gegensatz zu den Ausnahmzsrechten, 
deren charakteristisches Merkmal eben in der Abweichung von dem gemeinen Ver- 
fassungsrecht liegt. 
II. Die kaiserlichen Rechte. 
Die kaiserlichen Rechte aus einem einheitlichen Prinzipe abzuleiten, ist unmög- 
lich (der Versuch, den Laband, Staatsrecht, I. 225 ff. nach dieser Richtung macht, 
ist nicht gelungen); man muß zugeben, daß die kaiserlichen Rechte einzelne sind, 
vom Träger der Souveränetät dem König von Preußen delegationsweise 
übertragen. Dies ist nach geltendem Rechte die einzig mögliche Konstruktion.
	        
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