Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Kaufmann. 443 
Band des einheitlichen (Gewerbs-)Willens zusammengehalten werden.“ Das Ge— 
werbe kann als Nebenbeschäftigung neben einer nicht kaufmännischen Hauptbeschäfti— 
gung, mit oder ohne Benutzung eines Geschäftslokals, fortlaufend oder nur zu ge— 
wissen Zeiten des Jahres betrieben werden, sofern nur jener Gewerbswille dadurch 
bethätigt wird. Das Franz. Recht (code de comm. art. 1) verlangt profession 
habituelle; nach Deutschem Recht ist gewohnheitsmäßige Uebung nicht erforder- 
lich, die K.squalität wird durch ein einziges Handelsgeschäft, welches mit dem Ge- 
werbswillen abgeschlossen ist, begründet. Auch der Staat und andere öffentlichrecht- 
liche Korporationen können Handelsgewerbe betreiben; sehr kontrovers ist, ob sie als 
Kaufleute anzusehen sind bezüglich des Eisenbahnbetriebs (dafür ROS#.; nach den 
zur Zeit herrschenden Grundsätzen auch Goldschmidt; dagegen Sächs. J. M. Verordn. 
von 1862, Ztschr. f. d. ges. H.R. VI. S. 560), der Paket= und Personenpost (dafür 
RO., Thöl; dagegen Goldschmidt), der öffentlichen Sparkassen, der Fabrikation 
in Strafanstalten, der Gasanstalten 2c. Bei der Entscheidung dieser Streitfragen ist 
zu beachten: die K.seigenschaft ist nur dann vorhanden, wenn dasjenige, was äußer- 
lich wie ein Gewerbe erscheint, in Wahrheit ein Gewerbe ist, d. h. wenn die Ge- 
winnerzielung, und nicht vielmehr die Erfüllung der Pflichten des Staats, der Ge- 
meinde 2c. als unmittelbarer Zweck — Motiv ist regelmäßig das öffentliche In- 
teresse — angesehen werden muß. Die Beurtheilung ändert sich mit den wechselnden 
Anschauungen über die Aufgaben des Staats; ein hervorragendes Beispiel bietet 
dafür die Entwickelung des Eisenbahnwesens in Deutschland. Wie „der Charakter 
der Eisenbahnen als gewerbliche Unternehmungen hinter dem als öffentliche Straßen“ 
zurücktritt, wie „die Tarife zu Gebühren“ werden, in demselben Maße verliert der 
Betrieb der Eisenbahnen die Fähigkeit, die K.seigenschaft zu begründen. 
4) Gegenstand des gewerbemäßigen Betriebs müssen Handelsgeschäfte sein, d. h. 
mindestens ein Grundhandelsgeschäft im Sinne der Art. 271, 272 des HGB. Ob 
der Handel im Großen oder nur im Kleinen betrieben wird, ist in dieser Beziehung 
regelmäßig unerheblich; nur sind nicht als Kaufleute anzusehen Personen, welche die 
Bearbeitung oder Verarbeitung beweglicher Sachen für Andere, oder die Druckerei- 
geschäfte nur in handwerksmäßigem Umfange, sowie diejenigen, welche den Personen- 
transport zu Lande oder auf Binnengewässern nicht in größeren, ständigen Unter- 
nehmungen betreiben. In Betreff der Kommanditgesellschaften auf Aktien, Aktien- 
gesellschaften und eingetragenen Genossenschaften finden die für Kaufleute gegebenen 
Bestimmungen auch dann Anwendung, wenn sie nicht Kaufleute sind; dasselbe gilt 
auch in Betreff der öffentlichen Banken in den Grenzen ihres Handelsbetriebs. 
Nach älterem, insbes. Italienischem H. R. genügte der gewerbsmäßige Handels- 
betrieb regelmäßig nicht zur Begründung der K.eigenschaft; vielmehr war noch 
außerdem erforderlich die Aufnahme in eine K.Sinnung. Dieser Anschauung, welche 
sich noch in neueren Gesetzgebungen (Span., Port.) wiederfindet, welche die Eintragung 
in eine Handelsmatrikel voraussetzen, tritt das HGB. im Anschluß an den code de 
comm. (art. 1) entgegen. Danach begründet die Eintragung in das Handels- 
register weder die K.seigenschaft, noch ist diese von der Eintragung abhängig. 
II. Der im HG#. aufgestellte K.sbegriff geht weiter, als ihn die Volks- 
anschauung zu bestimmen pflegte, und es haben sich auch bei den Vorberathungen 
des Gesetzes mehrfach Strömungen geltend gemacht, welche dem Handelsgewerbe ge- 
ringeren Umfangs die K. seigenschaft nehmen oder beschränken wollten. Die her- 
kömmliche Auffassung und berechtigte Opportunitätsrücksichten fanden in den Nürn- 
berger Konferenzen insofern Anerkennung, als durch Art. 10 des HG#. Kaufleute 
minderen Rechts (Minderkaufleute, Kleinkaufleute im Gegensatz zu Vollkaufleuten, 
Großkaufleuten) geschaffen wurden, auf welche die Bestimmungen des H#GB. über 
Handelsbücher, Firmen, Prokuren und Handelsgesellschaften (im Sinne des HGB.) 
nicht Anwendung finden. Zu diesen Minderkaufleuten gehören: 1. schlechthin die 
Speise- und Schenkwirthe, sowie die Höker, Trödler und Hausirer; 2. im Falle des
	        
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