Kautionen. 449
2) Verpflichtet zur Kautionsleistung ist vor Allen der Eigenthümer des gefahr-
drohenden Grundstücks; sodann der redliche und auch der unredliche Besitzer; ferner
jeder Inhaber des Grundstücks in Folge dinglichen Rechts, Emphyteuta, Superfiziar,
Usufruktuar, Pfandgläubiger. Ebenso noch Unternehmer von Werken, Anlagen
u. dgl. auf öffentlichem Grund und Boden, so an öffentlichen Wegen, Flüssen 2c. —
Die Verpflichtung ist eine subjektiv alternative, so daß die Leistung durch den einen
Verpflichteten die übrigen befreit. Mehrere Miteigenthümer sind verhältnißmäßig
nach ihren Antheilen verpflichtet.
3) Berechtigt die K. zu fordern ist Jeder, welcher bei der drohenden Gefahr
ein Interesse hat, soweit dieses Interesse reicht: der Eigenthümer des bedrohten
Grundstücks, die Inhaber von dinglichen Rechten an demselben, endlich auch blos
obligatorisch berechtigte Inhaber, der Miether oder Pächter, der Käufer nach ge-
schehener Tradition; nicht aber Derjenige, welcher im gefährdeten Grundstücke blos
ab= und zugeht oder Handlungen vornimmt. Ob auch der redliche Besitzer, ist
kontrovers. — Die Berechtigung hört auf, wenn der Berechtigte bereits durch
ein anderes Rechtsmittel genügend gedeckt ist, weshalb Miteigenthümer, Miether
und Vermiether u. dgl. die K. von einander nicht wol fordern können, obschon
dieselbe zwischen Eigenthümer und Usufruktuar zulässig scheint. Uebrigens lag
hier Vieles im freien Ermessen des Prätors. Der Anträger muß den Kalumnieneid
schwören.
4) Der Verpflichtete muß versprechen, allen binnen einer bestimmten Frist ein-
tretenden Schaden der vorerwähnten Art vollständig, jedoch mit Ausschluß von
Luxusgegenständen, zu ersetzen. Von Anderen als dem Eigenthümer und dem red-
lichen Besitzer wird Stellung von Bürgen verlangt. Die K. wird erneuert, wenn
nach Ablauf der Frist der Schaden zwar nicht eingetreten, die Gefahr aber noch
vorhanden ist. Wenn absichtlich keine Frist bestimmt ist, gilt die K. ein für alle-
mal; wenn irrthümlich, kann der Verpflichtete nach Ablauf der ortsüblichen Zeit
auf Entbindung antragen. Die Klage aus der K. geht auf die Erben des Berech-
tigten über und gegen die Erben des Kavirenden.
5) Weigert sich der Verpflichtete die K. zu leisten, so wird nach Ablauf einer
vom Prätor gesetzten Frist der Berechtigte durch richterliche Verfügung in den Besitz,
in der Regel des ganzen gefahrdrohenden Grundstücks, eingewiesen, ohne zwar den
Verpflichteten daraus zu verdrängen, aber custodiae causa, nämlich so, daß der
Verpflichtete „den missus neben sich detiniren und kustodiren lassen muß“, dieser also
jetzt auch befugt ist, die nöthigen Reparaturen selbst vorzunehmen. Dies ist die
sog. missio ex primo decreto, welche dadurch aufgehoben werden kann, daß der
Verpflichtete die K. in der nunmehr gehörigen Art leistet, also mit etwaiger Ver-
mehrung der Kosten. Sonst erfolgt, nach angemessener Frist und causa cognita,
eine zweite Besitzeinweisung, missio in possessionem ex secundo decreto, welche
Verdrängung des Verpflichteten und Uebergang von dessen Rechte (Eigenthum,
Usukapionsbesitz, Ausübung des Nießbrauchs, Emphyteuse, Superfizies) auf den Ein-
gewiesenen zur Folge hat. Mehrere Eingewiesene werden Eigenthümer 2c. zu arith-
metisch gleichen Theilen. Im Falle von Widerstand seitens des Verpflichteten stehen
dem Berechtigten die gewöhnlichen Rechtsmittel zu, womit beim Eintritte des
Schadens eine actio in factum konkurrirt, auf soviel, als der Verpflichtete schuldig
sein würde, wenn er kavirt hätte. Der Verpflichtete kann sich aber durch Dereliktion
des Grundstücks liberiren.
6) Wenn die Kautionsleistung nicht erlangt worden ist, und Schaden eintritt,
ist zu unterscheiden, ob die Versäumniß. mit oder ohne Verschulden des Berechtigten
stattgefunden hat. Im ersteren Falle hat er nach der im Justin. Recht rezipirten
Ansicht ein Retentionsrecht an den herübergefallenen Trümmern. Im andern Falle
aber wird ihm eine Klage auf Kautionsleistung für Vergütung des bereits erfolgten
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon II. 3. Aufl. 29