452 Kindesmord.
wandtschaftlichen Verhältnisse abgesehen sand man theils in der Beziehung der That
zur Schande der Thäterin, theils in dem Umstande, daß das Opfer ungetauft dem
Tode überliefert ward, Gründe für eine härtere Beurtheilung. "
Gegenstand des Delikts ist a) ein uneheliches Kind. Oesterreich (wie ehedem
Braunschweig und Bayern) dehnt den Begriff auf die Tödtung ehelicher Kinder aus,
stellt jedoch für diese letztere einen besonderen und zwar strengeren Strafsatz auf
(vgl. auch Belgien). — Für diese Ausdehnung spricht, daß bei der ehelichen Mutter
Motive von verwandter Richtung und Kraft wie bei der unehelichen vorkommen
und durch die Geburt zu gesteigertem Einflusse gelangen können, sowie daß die dem
Verhältniß des Neugebornen zur Mutter und seiner eigenen Qualität entnommenen
Gründe der Privilegirung auf jene Unterscheidung nicht hinweisen. Dem gegenüber
ist zu Gunsten des engeren Begriffs neuerdings die Verschiedenheit der geschlechtlichen
Beziehungen geltend gemacht worden, gegen deren Folgen die That im einen und
im anderen Falle sich richtet (IJohn). — Als uneheliches Kind ist auch das von
einer Ehefrau geborene, jedoch im Ehebruch erzeugte zu betrachten. Die Feststellung
dieser Eigenschaft erfolgt unabhängig von den Präsumtionen und Beweisvorschriften
des Privatrechts. Die legitimatio per subsequens matrimonium ist dagegen auch
für den Strafrichter bindend (v. Holtzendorff). b) Ein lebendiges Kind. Hin-
sichtlich der Zeichen des Gelebthabens und der Formen ihrer Sicherstellung ist auf
nachfolgenden Artikel zu verweisen. — Die Fähigkeit zur Fortsetzung des Lebens
außerhalb der Mutter wird nicht als Voraussetzung aufgestellt. Mehrere
Strasgesetzgebungen (Sachsen, Baden, Hessen, Thüringen, eigenthümlich Braunschweig
und Württemberg) behandelten aber den Mangel derselben als Milderungsgrund.
Jc) Daß das Kind von der Mutter vollständig getrennt war, wird nicht gefordert.
Darin liegt eine Erweiterung des allgemeinen Begriffs der Tödtungsverbrechen,
indem nach diesem eine selbständige menschliche Individualität als Angriffsgegenstand
vorauszusetzen ist.
Subjekt der That kann nur die Mutter sein, und zwar sowol was die un-
mittelbare Thäterschaft, wie was die Anstiftung und Beihülfe betrifft. Daß die
Mutter auch wegen dieser nach den Bestimmungen über K. zu behandeln sei, ist
mehrfach ohne zureichenden Grund bezweifelt worden. Vorauszusetzen ist nur auch
hierbei, daß die bezügliche Thätigkeit in die sofort näher zu bezeichnende Zeit falle.
— Auf Dritte, welche an der Tödtung eines Kindes theilnehmen oder dieselbe ver-
anlassen, sind nicht die Bestimmungen über K., sondern die über Mord und Todt-
schlag anzuwenden, da in Bezug auf die spezifischen Voraussetzungen des K. keine
Gemeinschaft zwischen ihnen und der Mutter existirt. § 217 des Rötraf G. stellt
nur ein besonderes Strafmaß für die Mutter auf (vgl. Oesterreich). — Uebrigens
ist dieser Satz nur unter einer Einschränkung gültig. In dem Falle, wo die That
gegen eine von der Mutter noch nicht gelöste Frucht begangen wird, können auf die
Mitschuldigen, weil es an einer Voraussetzung von Mord und Todtschlag mangelt,
nur die Bestimmungen über K. zur Anwendung gebracht werden. — Für die Be-
handlung der Mitschuldigen ist es im Uebrigen den meisten Gesetzen gegenüber
wichtig, ob die Handlung der Mutter mit Vorbedacht erfolgte oder nicht. Im
ersteren Fall nämlich sind sie nach den Grundsätzen über Mord,, im anderen nach
denen über Todtschlag zu bestrafen. Der Natur der Sache entspricht dies freilich
durchaus nicht.
Die Handlung muß erfolgen entweder während der Geburt (Oesterreich hat
nur dies) oder gleich nachher. Hessen (vgl. Frankreich) forderte nur, daß die That
an einem „Neugeborenen“ begangen werde. Sachsen, Baden, Württemberg, Braun-
schweig, Thüringen ließen die That als K. gelten, wenn sie vor der vollendeten
24. Stunde begangen wird; Baden und Braunschweig darüber hinaus, wenn der
durch die Geburt begründete Zustand, mit welchem die Privilegirung des Delikts