454 Kindesmord.
Lit.: Gans, Von dem Verbrechen des K., 1824. — Jordan, Bißriff und Strafe des
K., 1844.— Mitiermaier im N. A., 1825. — Hälschner, System, I 101 ff John,
Entwurf zu einem Straf G. für den Nordd. Bund, 434 ff. — Mair, Jurist.= W er
Kommentar der Bayer., Preuß. und Oesterr. Straschef., 1862, IV. — v. Fabrice, Die Lehre
von der K. Abtr. und vom K. Mord, 1868. — v. Hol endorff' s Handbuch III. S. 448 ff.
(v. hiln 507 ff ff. (Liman). Daselbst die Lit. des Auslandes. — r-iien Die
Kindest eitung 1846. — Kunze, Der K., 1860. — v. Schwarze in Schletter's Annalen
XXVIII. Merkel.
Kindesmord (mediz.-forens.). Diese besondere Kategorie des gemeinen Mordes,
bei welcher es sich um die Tödtung eines neugeborenen, unehelichen soder auch ehelichen
(Oesterr. StrafB. § 139)] Kindes durch die eigene Mutter „in oder gleich nach“"
der Geburt handelt, erheischt zu ihrer sachgemäßen Beurtheilung einer so umfäng-
lichen Mitwirkung von Seite des ärztlichen Sachverständigen, wie wenige andere
Gebiete der Strafrechtspflege. Nicht nur in Bezug auf die verbrecherische Hand-
habung, sondern auch in Bezug auf den Gegenstand und auf das Subjekt der That
hat derselbe eine Reihe von wichtigen Fragen zu lösen, deren Beantwortung für die
Feststellung des Thatbestandes unbedingt nothwendig ist. Diese Zuziehung ärztlicher
Sachverständiger zur Lösung der beim K. in Betracht kommenden Fragen datirt von
der CCC. Karl's V. (1532), welche außer der Untersuchung der Mutter auf
stattgehabte Schwangerschaft und Entbindung durch „verständige Frauen“ oder „er-
fahrene Hebammen“ (Art. 35 und Art. 36) auch verordnet, daß betreffenden Falles
die medizinischen Fakultäten um Rath anzugehen seien (Carolina § 219).
Die Aufgabe des Gerichtsarztes in Bezug auf die den K. betreffenden Fragen
ist eine zweifache, indem sich die Untersuchung desselben erstreckt: A) auf das Kind;
B) auf die Mutter.
A. Die Untersuchung des Kindes erfordert die Lösung folgender
Fragen:
1) Die Neugeborenheit. Die Konstatirung derselben ist nothwendig, um
den Forderungen der Gesetzgebungen gerecht zu werden, welche die Tödtung „in oder
gleich nach der Geburt“ (Deutsches StrafGB. § 217 u. Oesterr. Straf GEntw. § 228)
oder „bei der Geburt“ (Oesterr. StrafS B. § 139) verlangen. Die Zeichen der
Neugeborenheit sind folgende: a) der Zustand der Haut, wobei hauptsächlich
auf die sehr häufig vorkommende Befleckung der Haut mit Blut und auf die stets
in größerer oder geringerer Menge vorhandene Käseschmiere (vernix caseosa) zu
achten ist. Schon der Codex Justinianus sagt: „sanguinolenti sunt recens nati“.
Die Käseschmiere findet sich hauptsächlich in den Falten der Haut, besonders in der
Leistengegend und den Achselhöhlen, wo sie auch dann noch fast regelmäßig gefunden
wird, wenn das Kind vorher gereinigt worden war. Die Farbe der Haut ist dunkel-
roth, erst vom dritten Tage ab gelblich in Folge des leterus neonatorum b) Die
Beschaffenheit des Nabels und der Nabelschnur. Sie bieten ein gutes Kenn-
zeichen der Neugeborenheit. Die Nabelschnur, ursprünglich bläulich-weiß, glänzend
und succulent wird allmählich welk, runzelig und glatt und beginnt einfach durch
den physikalischen Vorgang der Wasserabgabe sich zu verändern, sie trocknet ein.
Dieses Eintrocknen geht stets vom abgetrennten Ende des Nabelrestes aus, und er-
reicht in den ersten 24 Stunden den Nabelring noch nicht; die Nabelgefäße sind
schon nach einigen Stunden merklich kontrahirt, und mit loagulirtem Blute erfüllt.
Wo etwa der Nabelschnurrest bereits abgefallen und der Nabel vernarbt ist, da
sind wenigstens 14 Tage vorüber und das Urtheil in solchem Falle leicht. c) Die
Kopfgeschwulst (caput succedaneum), welche häufig während der Geburt am
vorliegenden Kindstheile entsteht und nach 12—48 Stunden wieder verschwindet.
Bei besonderer Größe derselben, was gewöhnlich auf eine protrahirte Geburt deutet,
geht die Aufsaugung langsamer vor sich. d) Der Magen des Neugeborenen enthält