Gemeinde, Gemeindeordnungen. 43
verfolgen, und die von diesen vielfach abgetrennten Gemeindeverbände für
besondere Zwecke, wie z. B. die verselbständigten Kirchen-G., Schul-G., Armen-
und Wegeverbände, oder die für Benutzung eines vom politischen Ortsvermögen
getrennten Genossenschaftsguts bestehenden Privat= oder Alt-G. Die politischen G.
ihrerseits zerfallen in Orts-G. und Kommunalverbände höherer Ordnung,
bei welchen letzteren bald der Charakter der G. rein durchgeführt ist, wie z. B. bei
den Amts-G., Bezirks-G. u. Bürgermeistereien vieler Deutscher Länder, bald, wie z. B. bei
den Preuß. Kreis= und Provinzialverbänden, vor staatlichen resp. ständisch-korpora-
tiven Elementen mehr zurücktritt. Hier ist nur von der politischen Orts-G.
zu handeln, welche nicht nur Basis und Ausgangspunkt aller kommunalen Organi-
sationen war und ist, sondern auch überall da, wo das Wort „G.“ ohne weiteren
Zusatz gebraucht wird, ausschließlich darunter verstanden werden muß. Die politische
Orts-G. braucht sich übrigens räumlich nicht gerade mit Einer Ortschaft zu decken,
kann vielmehr mehrere Dörfer, Weiler, Höfe 2c. umfassen. Sie kann ferner einfach
oder zusammengesetzt sein. Das letztere ist der Fall, wenn die Funktionen der
Orts-G. theils einem Gesammtkörper, theils dessen Gliedern zustehen. Dies kommt
sowol in der Weise vor, daß in einer sehr großen Orts-G. einzelne Funktionen
an korporativ verfelbständigte Bezirke übertragen werdeg, als in der Weise, daß
mehrere kleine G., deren jede zur Erreichung des Gemeindezweckes für sich unzu-
reichend ist, ohne Aufhebung ihrer Sonderpersönlichkeit für bestimmte Zwecke zur
Sammt-G. zusammentreten. Die wichtigste Eintheilung der Orts-G. ist die in
Städte und Land-G. Beide haben eine durchaus verschiedene Geschichte, welche
ehemals durchgreifende und prinzipielle Unterschiede ihres Wesens begründete. Heut-
zutage fallen beide G.gattungen prinzipiell unter denselben Begriff, unterscheiden sich
aber nach den meisten Gesetzgebungen noch immer in erheblichen Punkten. Manche
Gesetzgebungen kennen noch die Zwischengattung der Märkte oder Flecken. Ueberdies
werden häufig, besonders unter den Städten, verschiedene Klassen mit ungleichem
Recht je nach der Bewohnerzahl gebildet.
II. Wesen und Geschichte der G. Das Wesen der G. besteht nach
der heute in Deutschland herrschenden Auffassung darin, daß die G. in sich die
doppelte Funktion vereinigt, Glied eines höheren Organismus und Organismus
für sich zu sein. Sie ist ein aus sich selbst und um seiner selbst willen lebendes
Gemeinwesen, welches gleich dem Einzelnen ein unentziehbares Recht auf Persönlichkeit
hat; sie ist aber, wie der Einzelne nicht blos Individuum sondern auch Bürger ist,
so zugleich ein Glied des Staats und Mitträger der Staatspersönlichkeit. Diese Auf-
fassung vom Wesen der G. steht in der Mitte zwischen den beiden extremen Auffassungen,
von welchen die eine, im Mittelalter herrschende, die G. als völlig geschlossenen staat-
lichen Körper betrachtet, die andere, heute noch in Frankreich geltende, in der G.
nichts als eine Staatsanstalt sieht. Schon hieraus ergiebt sich, daß die Gestaltung
der G. durchaus von geschichtlichen und nationalen Verschiedenheiten bedingt und
bestimmt wird.
Während dem Alterthum in den Zeiten der Freiheit G. und Staat zusammen-
fielen, später sich nur ein kümmerliches Gemeindeleben entwickelte, hat die germanische
Welt ihr gesammtes öffentliches Recht aus der freien Gemeindeverfassung herausgebildet.
Als die germanischen Bölker in die Geschichte traten, war ihnen ein Staat im
wahren Sinne des Wortes unbekannt: ihre gesammte Organisation beruhte auf
engeren und weiteren G., von denen immer die engere für alle ihre inneren An-
gelegenheiten durchaus selbständig und nur für die allgemeineren Angelegenheiten dem
nächst höheren Verbande eingefügt war. Dabei nahmen, während die politischen und
gerichtlichen Aufgaben vorzugsweise den Volks-, Gau= und Hundertschafts-G. zufielen,
die Stelle der Orts-G. freie Dorf= und Mark-G. ein, welche auf das Gesammt-
eigenthum an der Gemeindemark gebaut waren und deshalb einen überwiegend wirth-
schaftlichen Charakter trugen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde mit dem Siege