Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Konkordate. 503 
Konkordate (Th. I. S. 670), kirchliche, und Cirkumskriptionsbullen. 
K. sind im Allgemeinen Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche über Verhält- 
nisse der letzteren, resp. über wechselweise Ansprüche der geistlichen und weltlichen 
Gewalt. Daher können Vereinbarungen, wie das berühmte Wormser oder Calix- 
tinische K. von 1122, welches äußerlich nicht einmal die Vertragsform aufweist, 
sondern in zwei von einander unabhängigen Urkunden Heinrich's V. und Calixt' II. 
niedergelegt ist, füglich zu den K. gerechnet werden, obgleich der Ausdruck selbst 
nicht vor dem Jahre 1418, nämlich zuerst in dem Konstanzer Vergleich (capitula. 
concordata) vorkommt. Wenn dagegen z. B. Walter und Mezjer die K. als 
eigentliche Verträge zwischen dem päpstlichen Stuhl und dem Staat, in welchen ihr 
gegenseitiges Verhältniß in einem oder mehreren Punkten prinzipiell normirt wird, 
definiren, so ist dem entgegenzuhalten, daß im Mittelalter auch Vereinbarungen 
zwischen Prälaten unter einander, resp. mit einer weltlichen Regierung, so genannt 
werden und daß die älteren, ja die wichtigsten und diejenigen, bei denen der Name 
zuerst vorkommt, gar nicht oder nur in geringem Umfange das Verhältniß zwischen 
Staat und Kirche, vielmehr einzelne Ordnungen, die lediglich innerhalb der Kirche 
gelten sollten, festsetzen, wie das bei dem Konstanzer K. und dem Wiener K. von 
1448 der Fall ist. Andererseits will Schulte allein diesen älteren Vereinbarungen 
bis zu dem von der Französischen Republik im Jahre 1801 (26. Messidor IX) ab- 
geschlossenen, noch heute in Frankreich (freilich unter Modifikation durch die von 
Napoleon hinzugefügten articles organiques von 1802) geltenden K. den Namen K. 
beigelegt wissen, während er die neueren Vereinbarungen von der eben erwähnten 
an für Verträge anderer Art, d. h. für solche erklärt, welche eine grundsätzliche Aus- 
einandersetzung zwischen Staat und Kirche zur Wahrung der Einigkeit und zur festen 
Ordnung der neuen Verhältnisse bezwecken. Indessen ein zwingender innerer Grund 
ist dafür nicht vorhanden, wenngleich es richtig ist, daß die neueren K. im All- 
gemeinen mehr den von Schulte angegebenen Charakter tragen. Eine Aufzählung 
aller hierher gehörigen Vereinbarungen auch nur aus der neuesten Zeit (s. die Auf- 
zählung bei Bornagius, S. 5 ff., welche indessen auf absolute Vollständigkeit 
keinen Anspruch machen kann, — es fehlen z. B. die, welche mit den Republiken 
Centralamerika's in diesem Jahrhundert abgeschlossen sind; s. Sentis in Moy's 
Archiv Bd. XII. S. 225 ff.) ist an dieser Stelle nicht möglich und ich begnüge 
mich daher mit der Anführung der für Deutschland in Betracht kommenden K. Die 
erste und einzige derartige Vereinbarung, welche behufs Aufrichtung der durch die 
politischen Ereignisse Ende des vorigen und Anfangs dieses Jahrhunderts zerstörten 
katholischen Kirchenverfassung abgeschlossen worden ist, ist 1) das Bayerische K., 
ratifizirt in München am 24. Oktober 1817, vom Papst durch eine Konfirmations- 
bulle vom 15. November desselben Jahres publizirt. In seiner ursprünglichen Form 
wurde es aber wegen der durch seinen Inhalt, namentlich bei den Evangelischen, 
erregten Besorgnisse staatlicherseits nicht publizirt, sondern nur als Anhang zu dem 
Edikte über die äußeren Rechtsverhältnisse der Einwohner des Königreichs „in Be- 
ziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften“ vom 26. Mai 1818, welches die 
Bestimmungen desselben in manchen Punkten einschränkt. 2) Das zweite der 
Deutschen K. ist das Oesterreichische, zu welchem die kirchlichen Bewegungen 
des Jahres 1848 und die Benutzung des in den Verfassungsurkunden dieser Zeit 
ausgesprochenen Grundsatzes der Freiheit der Religionsgemeinschaften durch die katho- 
lische Kirche den Anstoß gegeben, welches aber freilich ohne die vorgängige Zerrüt- 
tung des Kaiserstaates und die in Folge dessen an maßgebender Stelle Boden 
findende Anschauung, daß die katholische Kirche die festeste Stütze der Throne sei, 
kaum zu Stande gekommen wäre. Das K. vom 18. Aug. 1855 ist durch Patent 
vom 5. November desselben Jahres, obgleich es das geschichtlich überwundene kano- 
nische System in weitem Umfange wieder herzustellen suchte, ohne irgend welchen 
Vorbehalt des Kirchenhoheitsrechts des Staates und ohne Beigabe eines die Rechte
	        
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