60 Gemeindebürgerrecht, Gemeindeverfassung.
wesenden die Ausübung der an ihren Gütern, ihrem Gewerbe oder Kapital haftenden
Rechte durch Stellvertreter.
Neben den politischen Rechten und Pflichten ist im (Gemeindebürgerrecht, soweit sie
nicht schon in der Gemeindeangehörigkeit liegt, die ökonomische Betheiligung an den
Lasten und Vortheilen des Gemeindeverbandes enthalten. Doch kann die Theilnahme an
Allmenden und sonstigen Nutzungen des Gemeindevermögens überdies von der Ent-
richtung einer Gemeinderechtsgebühr abhängig gemacht werden. Nutzungerechte,
welche mit dem Besitz gewisser Grundstücke oder dem Genossenrecht in einer Alt-
gemeinde ortsherkömmlich verbunden sind, werden davon nicht berührt.
Wenn nach manchen älteren Gemeindeordnungen das Recht der Verehelichung,
des Gewerbebetriebes oder des Grunderwerbes Ausfluß des aktiven Bürgerrechts
(nicht schon des Heimathsrechts) war, so ist dies heute natürlich unpraktisch ge-
worden.
Die Gemeinden sind regelmäßig befugt, das Ehrenbürgerrecht, welches
weder Rechte noch Pflichten begründet, zu verleihen.
III. Die Gemeindeverfassung ist in den verschiedenen Staaten u. Provinzen,
sowie überdies für die Städte und Landgemeinden oder die verschiedenen Gemeinde-
klassen außerordentlich ungleich gestaltet. Namentlich differiren die Gemeindeordnungen
in Bezug auf den Spielraum, den sie dem Ortsstatut lassen, in Bezug auf die
Stellung der Gemeindebehörden zum Staat und in Bezug auf die schärfere oder
weniger scharfe Scheidung von Verwaltung und Vertretung.
1) Verwaltendes Organ ist entweder ein Einzelvorsteher oder ein Kollegium.
Im ersteren Falle repräsentirt der Gemeindevorsteher (Bürgermeister, Schultheiß,
Schulze, Richter, Vogt) die Ortsobrigkeit allein; es stehen ihm indeß regelmäßig
entweder, wie in den Landgemeinden Norddeutschlands, Schöffen, Beigeordnete oder
Beiräthe, oder überdies, wie vielfach im westlichen Deutschland, ein an den Franzö-
sischen Munizipalrath erinnernder Gemeinderath zur Seite. Im zweiten Fall, der
in den Deutschen Städten und in Süddeutschland auch auf dem Lande die Regel
bildet, ist der Bürgermeister nur der leitende und nach außen repräsentirende Vor-
steher eines kollegialischen Magistrats oder Gemeinderaths, der in seiner Gesammt-
heit Träger der Ortsobrigkeit ist. Der Gemeindevorstand ist die verwaltende und
regierende Obrigkeit des örtlichen Gemeinwesens; gleichzeitig aber wird er oder doch
seine Spitze von den Gemeindeordnungen als Organ des Staats für die Ausführung
lokaler Staatsverwaltungsgeschäfte betrachtet und behandelt. Aus dieser Doppel-
stellung ergeben sich sehr verschiedenartige Funktionen, wobei die nähere Festsetzung,
welche derselben im Namen und Auftrag des Staates und welche im Namen und
Auftrag der Gemeinde geübt werden, von der Abgrenzung des Gemeinderechts gegen
das Recht des Staates abhängt. Hiernach bestimmt sich auch, inwieweit er unter
der Kontrole der Gemeinde steht und ihr verantwortlich, und inwieweit er um-
gekehrt nach unten unabhängig, dagegen staatlicher Aufsicht und Disziplinargewalt
unterworfen ist. Auch hängt es hiermit zusammen, daß zwar den Gemeinden, mit
Ausnahme der Landgemeinden in einzelnen Preußischen Provinzen, das von der
Gemeindeversammlung oder ihren Ausschüssen auszuübende Wahlrecht des Gemeinde-
vorstandes zugestanden, der Staatsbehörde aber ein Bestätigungsrecht und selbst ein
subsidiäres Ernennungsrecht vorbehalten ist. Erst die neuesten Gemeindeordnungen
gehen bisweilen von dem Bestreben aus, den Ortsvorstand nach oben hin selbstän-
diger und nach unten hin verantwortlicher zu stellen. Auch ist das Bestätigungs-
recht zum Theil aufgegeben oder doch (wie in Bayern) auf den Bürgermeister be-
schränkt und die Verweigerung an die Angabe von Gründen gebunden.
2) Die Gemeindeversammlung als die in bestimmten Formen zusammen-
tretende und beschließende Versammlung aller Stimmberechtigten ist besonders in
kleineren Gemeinden häufig noch das zur Berathung und Beschlußfassung in den
wichtigsten Angelegenheiten berufene Organ. In dieser Weise findet sie sich sowol