668 Litiglosität.
Das Römische Recht, aus welchem der Begriff der L. stammt, ging von dem
Grundsatz aus, daß nach der litis contestatio die Veräußerung der res und actio
litigiosa unstatthaft sei. Allgemein durchgeführt ward dies jedoch erst unter Justinian
durch die Bestimmung in c. 2, 5 C. 8, 86 und nov. 112, 1. Vorher hatte es
nur vereingelte und in mancher Beziehung von einander abweichende Vorschriften
gegeben, es war, abgesehen von dem Falle der Theilungsklage, wo das Veräußerungs-
verbot alle Betheiligten traf, nur dem nicht besitzenden Kläger die Veräußerung der
res litigiosa bei angestellter rei vindicatio untersagt worden und die Wirkung der
wider das Verbot erfolgten Veräußerung war nicht immer Nichtigkeit, sondern ur-
sprünglich sogar nur Strafe für den Veräußerer (s. v. Bangerow, lI. S 160 V.
Nr. 1—4, dazu noch den Fall fr. 22 pr. D. 49, 14). Justinian hat dann erst
durch die Vorschrift, daß der Kläger auch nicht seine actio (in c. 2 C. 8, 36 ist
actiones interpolirt) und daß der mit rei vindicatio belangte Besitzer in keinem Falle
den Prozeßgegenstand veräußern dürfe, das ältere Recht vervollständigt, was namentlich
mit Rücksicht auf die Veräußerungen des Beklagten in Folge der veränderten
Eretutionsordnung nöthig geworden sein mochte. Die Wirkung der erfolgten Ver-
äußerung war die, daß die Veräußerung des Klägers den Beklagten zu einer
peremtorischen Einrede gegen den neuen Erwerber (erceptio litigiosi) berechtigte,
während der Prozeß des Klägers ohne Störung weiter gehen sollte (c. 2 C. 8, 36).
Die Veräußerung des Beklagten war nichtig, außerdem verlor in diesem Falle der
unredliche Erwerber den etwa gezahlten Erwerbspreis, indem dieser oder der Werth
des Streitgegenstandes sammt einem alterum tantum vom Veräußerer dem Fiskus
zu zahlen war; der gutgläubige Erwerber dagegen hatte gegen den Veräußerer einen
unspiuch auf 1½ des Erwerbspreises resp. des Sachwerthes (c. 5 pr. §§ 1, 2
C. 8, 36).
Unter den in Betracht kommenden Veräußerungen war im Röm. Recht außer
der völligen Uebertragung des dem Veräußerer zustehenden Rechts auch die Ver-
pfändung begriffen (fr. 1 § 2 D. 20, 3); von anderer partieller Veräußerung, wie
Servitutbestellung, ist dies nicht erweislich. Einige Fälle gültiger Veräußerung
hat Justinian von dem Verbot in c. 5 C. 8, 36 (§ 3 ib., s. auch einen in
nov. 112, 1) ausgenommen. Gegen die Ersitzbarkeit von res litigiosae führt man
an fr. 1 § 2 D. 20, 3 und c. 1 C. 7, 33 (s. aber v. Vangerow, I. 591).
Besonders geordnet ist der Fall der letztwilligen Disposition durch Vermächtniß-
verfügung in nov. 112, 1, welche der c. 3 C. 8, 36 derogirt.
Die Eigenschaft der L. dauerte nach Röm. Recht von der litis contestatio bis
zur Erledigung des Prozesses, d. h. für den Kläger bis zur Rechtskraft des Urtheils,
für den Beklagten aber noch bis zur Vollstreckung, eventuell bis zum Liegenbleiben
des Progesses (c. 1 C. 7, 33); Justinian hat mit seinen Ausdrücken in nov. 112, 1
diesen Zeitpunkt nicht ändern wollen (Zimmermann, a. a. O. XXXV. 441 ff.
Gewöhnliche Annahme: bei rei vindicatio beginne danach die L. schon mit der
Klaginsinuation).
Die vorstehenden Grundsätze des Röm. Rechts sind von dem Kanonischen
erweitert worden, indem dieses die L. als eine Wirkung des allgemeinen Grund-
satzes: ut lite pendente nihil innovetur auffaßte und demnach jegliche Veräußerung,
so gut wie jede rechtliche oder faktische Veränderung des beim Streitbeginn be-
stehenden Zustandes des Streitverhältnisses, als eine für den Prozeß wirkungslose
erklärte. Im Anschluß an diese Auffassung gewährte die Italienische Praxis jeder
Partei, welcher eine solche Veränderung drohte, das Recht, den Richter zum Ver-
hindern oder Rückgängigmachen der erfolgten Beeinträchtigungen auf dem Wege ein-
seitiger Befehle zu veranlassen, eventuell auch Kaution oder Segquestration zu begehren.
Die moderne gemeinrechtliche Praxis stand im Allgemeinen auf#dem
beschriebenen Standpunkt des jüngsten Röm. Rechts, nur die Strafen der c. 5 C.
h. t. ließ man weg und maß der Veräußerung des Beklagten einfach die Wirkung