Litiskontestation. 671
so sucht man den entstehenden Nachtheilen dadurch abzuhelfen, daß man das ge-
sprochene Urtheil in seinem Erfolge auf die Zeit der L. zurück bezieht. Im Röm.
Recht werden diese Wirkungen durch die in der L. liegende prozessualische Konsumtion
und die sog. novatio necessaria erreicht. Inwiefern man in der L. die Ver-
wirklichung und also auch die Vernichtung des ursprünglichen klägerischen Rechts sah,
ist schon an einem anderen Orte dargelegt worden (s. d. Art. Kons umtion).
„Tollitur adhuc obligatio litis contestatione“, sagt Gajus Inst. III. 180, „nam
tunc obligatio quidem principalis dissolvitur, incipit autem teneri reus litis con-
testatione ." Diese Haftung trat nach der Römischen Auffassung vermöge des
Satzes: judicio contrahi (I. 3 § 11 D. 15, 1; I. 22 D. 27, 3) ein, indem man
sich vorstellen mochte, daß die Parteien durch das judicium, d. h. die L. eine neue
Verbindlichkeit übernehmen, nämlich sich dem richterlichen Urtheil zu fügen. Neuere
Juristen (Keller u. A.) haben sogar aus der L. einen wirklichen sog. Quasikontrakt
gemacht (dagegen namentlich Windscheid, Actio, § 8 und Lehrb., § 124 Anm. 1).
Da nun diese neue Obligation an Stelle der alten getreten war, auch mit dieser
in einer inneren Verbindung stand, so führte man dieselbe in analoger Anwendung
auf eine in der L. liegende Novation zurück (1. 29 D. 46, 2; I. 3 pr. C. 7, 54),
sog. novatio necessaria. Doch konnten selbstverständlich die Grundsätze der novatio
voluntaria auf diesen Vorgang nicht angewendet werden, weil ja gerade durch An-
stellung der Klage das zu Grunde liegende Recht nicht aufgehoben, sondern geltend
gemacht werden sollte (1. 29 D. 46, 2). Daher blieben trotz der L. die klägerischen
Nebenrechte wie Pfand, Bürgen, Konkursprivilegien, Zinsen (I. 3 pr. C. 7, 54;
1. 13 § 4 D. 20, 1) bestehen und die ganze Vorstellung einer novatio trat bald
völlig in den Hintergrund, als man annahm, daß ungeachtet der L. die ursprüng-
liche Obligation als naturale fortdauere (I. 60 pr. D. 12, 6). Nichtsdestoweniger
finden sich noch in den Justinianischen Quellen Spuren von jener sog. nov. neces-
saria, so besonders, daß seit der L. die Klagen vererblich werden und dgl. mehr
(I. 6 § 3 D. 42, 1; 1. 23 D. 46, 3; I. 11 § 1 D. 46, 2). — Daß auch die
Vorstellung einer nov. necessaria bei dem Urtheil nicht fremd war, ist bei diesem
zu besprechen.
Die hauptsächlichsten Wirkungen, welche noch im neuesten Röm. Recht aus dem oben-
gedachten Gesichtspunkt der Billigkeit an die L. geküpft wurden, sind in Kürze folgende:
1) ungeachtet der während des Prozesses erfolgten Ersitzung muß die eingeklagte
Sache herausgegeben werden, resp. lebt die durch non usus untergegangene Servitut
wieder auf, wie überhaupt der Prozeßbeginn nach Justin. Recht jede Verjährung
unterbricht (I. 9 8 3 D. 12, 1; 1. 18—21 D. 6, 1; I. I. 8 § 4 D. 8, 5);
2) der eingetretene Kasus befreit den Beklagten von der Leistung des In-
teresses nicht, es sei denn nach richtiger Meinung (ohne zwischen bon. und mal. tfid.
poss. zu unterscheiden), daß der Kasus die Sache auch beim Kläger betroffen hätte
(z. B. 1. 15 § 3 D. 6, 1);
3) das Klagrecht wird aktiv und passiv vererblich (I. 1. 139, 164 D. 50. 17),
es sei denn, daß es durch seinen Inhalt an eine bestimmte Person beschränkt ist,
wie beim Nießbrauch, bei der Ehescheidung. (Anderer Meinung Heinzerling,
Arch. f. Pr. R.W., N. F. IX. S. 288);
4) der Beklagte muß res cum omni causa herausgeben (I. 20 D. 6, 1);
5) er haftet für dolus und jegliche culpa (I. 21 D. 6, 1);
6) er hat demgemäß für alle Früchte, auch die fructus percipiendi Ersatz zu
leisten (I. 25 § 4 D. 5, 3), wie denn überhaupt der redliche Besitzer von der L.
an als unredlicher angesehen wird (I. 20 § 11; 1. 25 § 7; I. 31 § 3 D. 5, 3;
1. 2 C. 7, 51. — Savigny, VI. S. 84 ff. — I. 10 C. 7, 22. — Seuffert,
Arch. XXXII. 186); ·
7) eine bei der L. zwischen zwei Ansprüchen oder zwei Gegenständen desselben
Anspruchs getroffene Wahl wird unwiderruflich (1. 112 pr. D. 45, D.