Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Gemeindehaushalt. 65 
Es tritt aber der wichtige Unterschied hervor, daß, während der Privathaushalt mit 
dem Recht nichts zu thun hat, der G. bezüglich der Aufbringung, Verwaltung und 
Verwendung der dafür erforderlichen Mittel unter die Rechtsordnung fällt. 
Die Rechtsfähigkeit der Gemeinde ist im Vermögensrecht dieselbe, wie 
die jeder anderen juristischen Person. Vielfach werden ihr gewisse Privilegien zu- 
gestanden, wie namentlich im Zusammenhang mit dem Bevormundungssystem die 
jura minorum, wie ferner das Recht eines öffentlichen Siegels, das Archivrecht und 
einzelne prozessualische Privilegien, z. B. bezüglich des Gerichtsstandes, der Eides- 
leistung, Kautionspflicht und Kompetenzwohlthat. Auch die Willens= und 
Handlungs fähigkeit der Gemeinde ist nach den allgemeinen Grundsätzen über 
juristische Personen zu beurtheilen, soweit nicht um der öffentlichen Bedeutung der 
Gemeinde willen weitergehende Beschränkungen eingeführt sind und in Folge dessen 
die Beschlüsse, Verträge oder sonstigen Rechtshandlungen der Gemeinde zu ihrer 
rechtlichen Existenz der staatlichen Genehmigung bedürfen. 
Als juristische Person ist die Gemeinde Subjekt des Gemeindevermögens. 
Dies erkennen alle Gemeindeordnungen an, indem sie zum Theil ausdrücklich die 
ältere Theorie, wonach das Gemeindevermögen mittelbares oder unmittelbares Staats- 
gut sein sollte, verwerfen. Zum Gemeindevermögen gehören sowol bewegliche Sachen, 
Geräthschaften, Kapitalien und Forderungen und der Baarbestand der Gemeinde- 
kassen, als die unbeweglichen Gemeindegüter. Die letzteren dienen entweder, wie 
öffentliche Gebäude, Straßen, Anstalten rc., unmittelbar dem Gemeindezweck, oder 
es werden ihre Erträge dafür verwandt. Gleich dem eigentlichen, für die Zwecke 
der Gemeinde als solcher bestimmten Gemeindegut oder Kämmereigut steht auch das 
Allmend= oder Bürgergut im Eigenthum der Gemeinde und wird nur bestimmungs- 
mäßig für individuelle Zwecke der einzelnen Mitglieder verwandt. Verschieden davon 
ist der Fall, in welchem den Einzelnen, den Grundbesitzern, einer Personenklasse oder 
einer engeren Genossenschaft gewisse Nutzungsbefugnisse als feste Privatrechte zustehen 
und doch das Eigenthum oder Obereigenthum der betreffenden Güter bei der Ge- 
meinde als solcher ist. Gänzlich vom Gemeindevermögen zu trennen ist das ört- 
liche Stiftungsvermögen; es beruht auf positiver Vorschrift, wenn einzelne Gemeinde- 
ordnungen, wie namentlich die Bayerische, dasselbe im Zweifel der Verwaltung und 
unter Umständen selbst der anderweiten Verwendung durch die Gemeinde anheim- 
geben. 
Die Verwaltung des Gemeindevermögens wird als ein Haupttheil der Ge- 
meindeselbstverwaltung von der Gemeindeverwaltungsbehörde unter Kontrole der 
Gesammtheit oder ihrer repräsentativen Organe und unter staatlicher Oberaufsicht 
geführt. Zur Vornahme wichtigerer, besonders substanzverändernder Akte bedarf es 
stets eines Gemeindebeschlusses oder der Zustimmung der Gemeindeausschüsse zu den 
Handlungen der Gemeindeverwaltung. Für manche Rechtsgeschäfte ist die Beobachtung 
bestimmter Formen, z. B. für die Veräußerung oder Verpachtung von Gemeinde- 
gütern die Form der öffentlichen Versteigerung, vorgeschrieben. Außerdem aber be- 
darf es in einer Reihe von Fällen der staatlichen Genehmigung. Im Einzelnen 
weichen dabei die Gemeindeordnungen sehr von einander ab. Oft sind die Städte 
sehr viel freier gestellt, als die Landgemeinden. Regelmäßig ist die Gemeinde ohne 
Staatsgenehmigung nicht befugt, den Grundstock ihres Vermögens zu verändern. 
Fast immer wird bei der Veräußerung von Grundstücken und immobiliaren Gerechtig- 
keiten und bei Abänderungen des bestehenden Genusses der Gemeindenutzungen die 
Staatsgenehmigung gefordert. Den Immobilien werden bisweilen gewisse Mobilien, 
z. B. nach den Preuß. Städteordnungen Sachen, welche einen besonderen wissen- 
schaftlichen, historischen oder Kunstwerth haben, gleichgestellt. Häufig sind auch Ver- 
pfändungen oder Erwerbungen unter lästigem Titel, Vergleiche, Entfagungen, Ver- 
pachtungen, nach älteren Gemeindeordnungen selbst größere Bauten und Reparaturen, 
die Verwendung von Gemeindeüberschüssen 2c., sodann namentlich bei Landgemeinden 
— 
v. Holtzendorff, Ene. II. Rechtslexikon II. 3. Aufl. 5
	        
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