Lotterie. 681
überhaupt, bald nur das Halten von öffentlichen Spielhäusern unter Strafe stellen,
zeichnen die Strafgesetze von Frankreich und Belgien ebenso wie das geltende Eng—
lische Recht die Veranstaltung von L. durch besondere Strafdrohungen aus. Letz=
teren Standpunkt nahm auch Preußen § 268 (im Anschlusse an das Allg. LR. und
spätere Verordn.) und ihm folgend das RStraf GB. § 286 ein. Diefes bestraft mit
Gefängniß bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 3000 Mark denjenigen,
der ohne obrigkeitliche Erlaubniß öffentliche L. veranstaltet (da-
neben finden sich Strafdrohungen gegen das öffentliche Halten von Glücksspielen
§ 360 Ziff. 14, das gewerbsmäßige Glücksspiel § 284, das Gestatten von Glücks-
spielen an öffentlichen Versammlungsorten § 285).
Die besondere Auszeichnung unseres Deliktes erklärt sich aus der Geschichte der
L. verbote. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts sich findend, tragen sie bis in die
neueste Zeit fiskalischen Charakter. Der Staat will die Gewinnsucht seiner Unter-
thanen für seine Zwecke ausbeuten, und darum schützt er den Bürger gegen Aus-
beutung durch ausländische oder private inländische Unternehmungen. Er verbietet
nicht das Aufsspielsetzen des Vermögens, sondern er monopolisirt den daraus ge-
hofften Unternehmergewinn. Sobald dieser Standpunkt aufgegeben wird, ändert das
Delikt seinen Charakter: aus einer Verletzung der finanziellen Interessen des
Staates wird es zur Gefährdung des eigenen Vermögens; wie früher das
Veranstalten von L. tritt jetzt das Spielen in folchen in den Vordergrund.
Das Rötraf GB. hat diese prinzipielle Frage nicht gelöst; das Delikt des § 286
gehört zu denjenigen, die ihren strafrechtlichen Charakter erst durch die fortgeltenden
(s. unten) Landesgesetze erhalten. Ob diese Nichtlösung der Schwierigkeiten durch die
Reichsgesetzgebung die richtige Lösung der Frage war, mag dahingestellt bleiben.
Von den Arten der L. (vgl. d. Art. L. privatr.) fallen unter das Straf GB. 8s 286:
1) Das Lotto; 2) die Glücksbuden (vgl. auch die Entsch. des Reichsgerichts vom
7. Mai 1880); 3) das Ausspielgeschäft, das in § 286 Abf. 2 ausdrücklich ge-
nannt ist. Ein solches ist auch dann anzunehmen, wenn in dem Einsatze zugleich
der Preis für eine wirkliche Gegenleistung mit enthalten ist, z. B. Verbindung der
Ausspielung mit der Pränumeration auf ein literarisches Werk oder mit einer Theater-
vorstellung 2c. (vgl. die Erk. des Reichsger vom 9. Jan. und 26. Oktbr. 1880).
Auch kann eine Gewinnsthoffnung selbst zum Gegenstande einer Ausspielung gemacht
werden (z. B. Promessengeschäft, Erk. des Reichsger, vom 5. Jan. 1880) und in
diesem Falle ist die Ausspielung selbst dann strafbar, wenn es sich um Promessen
zu Loosen einer staatlich genehmigten L. handelt.
Dagegen werden von § 286 nicht berührt sowol das Prämienanleihen über-
haupt als auch das Ausgeben von und der Verkehr in Inhaberpapieren mit
Prämien (bzgl. dieser s. § 6 des Ges. vom 8. Juni 1871).
Begriffsmerkmale. 1) Strafbar ist das Veranstalten öffentlicher L.,
d. h. solcher L., an welchen sich eine wenn auch ziffermäßig begrenzte so doch individuell
nicht bestimmte Anzahl von Personen betheiligen kann (Erk. d. Reichsger, vom 12. April
1880). 2) Das Delikt ist vollendet in dem Augenblicke, in welchem dem Publikum die
Betheiligung möglich ist; Vornahme der Ziehung oder auch nur Absatz eines einzigen
Looses ist begrifflich irrelevant. 3) Vorfatz ist erforderlich (nach Merkel würde
Fahrlässigkeit genügen); er besteht in dem Bewußtsein, ohne Genehmigung einc öffent-
liche L. zu veranstalten (Erk. d. Reichsger. v. 22. Oktbr. 1880); das Bewußtsein der
Rechtswidrigkeit dagegen ist hier wie überall im Strafrechte nicht zu fordern. Die Ab-
sicht des Thäters ist gleichgültig; auch Wohlthätigkeits L. sind strafbar (anders nach
Franz. Recht). 4) § 286 bedroht nur das Veranstalten von L., nicht das Spielen
in solchen oder das Kollektiren für dieselben. Dieses Schweigen des Reichsrechts bedeutet
aber nicht stillschweigende Anordnung der Straflosigkeit für die nichterwähnten Fälle,
sondern nur Nichtbehandlung dersfelben, mithin fortdauernde Geltung etwaiger landes-
rechtlicher Strafdrohungen; vgl. z. B. Preuß. Verordn. v. 5. Juli 1847 für die alten,