Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

68 Gemeindewege. 
bestanden, besserte jeder Adjazent sein Stück des Weges. Schon die ältere Zeit 
ist indessen vieljach über diesen Zustand hinausgekommen. Bedürfniß, Herkommen 
und Einwirkung der Staatsaussicht haben diese Wege dem weiteren Kreise der Ge- 
meindegenossen und des Publikums zugänglich gemacht. Die Unterhaltungspflicht 
ist dennoch meistens den alten Grundbesitzern der Markgenossenschaft geblieben, wo 
nicht durch Herkommen und obrigkeitliche Anordnung auch die weitere Gemeinde 
namentlich mit Handdiensten und Nebenleistungen herangezogen wurde. Das stark 
wachsende Verkehrsbedürfniß bedingt in neuerer Zeit eine Vermehrung dieser Kom- 
munikationswege und die Nutzbarmachung ursprünglicher Interessentenwege für das 
Publikum; folgeweise auch eine Heranziehung aller Gemeindeglieder zur Unterhaltung. 
Die fortschreitende Entwicklung macht diese Unterhaltungslast zu einer ordentlichen 
Last der Ortsgemeinden. Die Unterhaltung durch Naturalleistungen geht 
schrittweise in Geldleistungen über. Die Nothwendigkeit, diese Wegelast auf größere 
Verbände zu vertheilen, macht eine gleichmäßige gesetzliche Regelung dieser Kommunal= 
last nothwendig. 
Günstigere Vorbedingungen dazu waren in den westlichen Theilen Deutsch- 
lands vorhanden, wo das System der geschlossenen Güter weniger umfangreich und 
wo schon in der Rheinbundzeit die Franz. Gesetzgebung und eine einsichtige 
Landesgesetzgebung die Ortsgemeindeverfassungen und Kommunallasten gleichmäßiger 
geregelt, die Erhebung von Kommunalsteuern erleichtert und die Bildung größerer 
Gemeindeverbände ermöglicht hat. In den wohlhabenderen Landestheilen und in 
manchen Kleinstaaten ist durch die Einsicht der Lokalinteressenten und durch die 
Thätigkeit der Staatsbehörden ein verhältnißmäßig guter Zustand geschaffen. In 
einem großen Theile Deutschlands dagegen ist der Zustand der Vizinalwege wie der 
Kunststraßen hinter dem Bedürfniß des heutigen Verkehrs und dem Wegesystem 
anderer Kulturstaaten sehr zurückgeblieben. 
Alle Schwierigkeiten, die aus der Zersplitterung des Gemeindelebens hervor- 
gehen, häufen sich namentlich in den östlichen Provinzen der Preuß. Mo- 
narchie. Die provinziellen Wegeordnungen, die ihrer Zeit den verschiedenartigen 
Gemeindeverfassungen und den bescheidenen Ansprüchen des Verkehrs entsprachen, 
haben sich hier bis in die Gegenwart erhalten, mit zahlreichen Abweichungen unter 
einander, für welche ein Motiv in den heutigen Besitzverhältnissen und Verkehrs- 
interessen nicht mehr zu finden ist. Das Allg. LR. hat nur ziemlich vage, er- 
gänzende Vorschriften aufgestellt: die Spanndienste sollen von den gespannhaltenden 
Einwohnern, die Handdienste von den „tvertrags= oder gewohnheitsmäßig ver- 
pflichteten Wirthen“, die Geldausgaben nach Verhältniß der Staatssteuern auf- 
gebracht werden. In den überwiegend ackerbauenden Landbezirken wurde dies System 
der Naturalleistungen als wohlfeil und bequem möglichst lange aufrecht erhalten. 
Durch die Stein-Hardenbergische Gesetzgebung waren inzwischen massenhaft die Voraus- 
setzungen der älteren Vertheilung der Wegebaulast verändert — in Folge der Eigen- 
thumsverleihung an die Bauern, der Ablösung der Frohnden, der Gemeinheits- 
theilungen und Separationen. Die alten provinziellen Wegeordnungen, die meistens 
etwa 100 Jahre weiter zurücklagen, blieben dennoch unverändert, obwol in wichtigen 
Punkten eine Ungewißheit über deren fortdauernde Anwendbarkeit entstand. Die 
konservative Natur aller Gemeindelasten hielt noch immer an der Wegebaupflicht 
der „Adjazenten“ fest, oder beschränkte die Wegelast doch auf die angesessenen Dorfwirthe, 
mit untergeordneten Hülfeleistungen der Nichtangesessenen. Der Uebergang in eine 
geregelte Last der gesammten Gemeinde war auf dem Wege freiwilliger Vereinbarungen nur 
selten zu erreichen. Durch die Rezesse der Generalkommissionen wurden die Rechte 
und Verpflichtungen der Einzelinteressenten allerdings in wünschenswerther Weise 
festgestellt: aber die Verbesserungen des Systems im Interesse des Publikums um 
so mehr erschwert. Zahlreiche Kommunikationswege, die früher stillschweigend nach 
Bedürfniß in den öffentlichen Verkehr übergangen und stillschweigend von den Ge-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.