Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

754 Miethssteuer. 
diesen Zwecken ist in den Jahren 1807—1850 eine umständliche Katastrirung des 
ganzen Grundbesitzes mit bedentenden Kosten zu Stande gebracht, und die Grund- 
steuer nach diesem System ist (wenn auch mit wechselnden Gesammtsummen) die 
direkte Oauptsteuer Frankreichs bis heute geblieben. Da man aber sich bald 
überzeugte, daß diese Steuer nicht den gangen Bedarf des Staats decken konnte, so 
wurden ziemlich bald noch drei ergänzgende direkte Steuern hinzugefügt: 1) die Per- 
sonal= und Mobiliarsteuer, 2) die Thür= und Fenstersteuer, 3) die Gewerbe= oder 
Patentsteuer, — welche sämmtlich von Zeit zu Zeit mannigfaltigen Aenderungen 
unterlegen haben. Die erste dieser Steuern wurde durch Gesetz vom 24. April 1806 
und vom 21. April 1832 als eine Kopfsteuer im Werth von drei Arbeitstagen und 
als eine Miethssteuer erhoben. Die letztere ist eine Mobiliarsteuer, die nach einem 
Prozentsatz von dem Miethswerth aller in der Gemeinde befindlichen, mit Möbeln 
versehenen Wohnräumen zu entrichten ist, als Personalsteuer des zeitigen Inhabers 
der Wohnung. Der Gesammtbetrag der „Personal= und Mobiliarsteuer“ beläuft sich 
jetzt auf mehr als 60 000000 Francs. Die Zusammenwerfung der M. 
mit der Kopfsteuer aber beruht auf dem Grundgedanken, daß sie eine Einkommen- 
steuer darstellen soll, bei deren Abmessung man lieber das objektive Merkmal des 
Werthes der Wohnung als eine Abschätzung des Gesammteinkommens zu Grunde 
legen wollte. Als eine weitere Ergänzung der Mobiliarsteuer wurde die Thür= und 
Fenstersteuer eingeführt, die jetzt nach dem Gesetz vom 21. April 1832 als Repar- 
titionssteuer sehr künstlich nach der Zahl der Thüren und Fenster in den verschie- 
denen Stockwerken des Gebäudes berechnet wird und jährlich mehr als 40 000 000 
Francs aufbringt. — Die sehr äußerliche, wirthschaftlich nachtheilige Gestaltung 
dieser Steuern an Gebäuden und Wohnungsräumen ist aus dem Bestreben hervor- 
gegangen, die wenig zuverlässigen (in Frankreich kaum für ausführbar gehaltenen) 
Schätzungen eines Gesammteinkommens zu vermeiden und sich lieber mit einer un- 
vollkommenen Steuerabmessung nach sicheren Merkmalen zu begnügen. — Mittelbar 
dient jene M. auch als Gemeindesteuer, da die Gesetzgebung den Ge- 
meinden gestattet hat, die direkten Staatssteuern mit ordentlichen und außerordent- 
lichen „Zuschlagscentimes“ zu belasten, d. h. 3, 4, 5, in einem Falle 8 Prozent 
Zuschläge für bestimmt bezeichnete Gemeindezwecke zu erheben, zu welchen aber dann 
alle direkten Staatssteuern gleichmäßig heranzuziehen sind, und die sich immer noch 
in bescheidenen Grenzen halten, da etwa vier Fünftel der Kommunalbedürfnisse der 
Französischen Städte durch octroi aufgebracht werden. 
In Deutschland hat sich eine größere Selbständigkeit der Gemeinden haupt- 
sächlich dadurch erhalten, daß in Stadt und Land der Gemeindeverband an dem 
Boden festhielt und die Gemeindeangehörigkeit einerseits in der Theilnahme an den 
Nutzungen des Gemeindevermögens, andererseits in der Theilnahme an den Ge- 
meindelasten nach dem Maßstab des Grundbesitzes sich darstellte. Auch in den 
Städten dauerte bis in das 19. Jahrhundert das Herkommen fort, welches die bür- 
gerlichen Lasten, soweit sie nicht durch das städtische Vermögen oder Gebühren gedeckt 
waren, auf die Wohnhäuser und bürgerlichen Nahrungen legte. Das Preußische 
LR. (Th. II. Titel 8 §§ 2 ff.) giebt ein kodifizirtes Recht, in welchem als reale 
Grundlage der städtischen Kommunallasten das bürgerliche Wohnhaus und die an 
den Liegenschaften haftende bürgerliche Nahrung festgehalten ist. Die starke In- 
anspruchnahme der Städte durch die Staatsbesteuerung nöthigte indessen die Stadt- 
verwaltung zu vielfachen Ergänzungen ihres Steuersystems durch Gewerbesteuern, 
Verbrauchssteuern, Luxussteuern, Gebühren, Sporteln rc. in unabsehbaren Variationen, 
unter denen jedoch die Haussteuer, der Giebelschoß und andere Abgaben von Wohn- 
häusern als Hauptposten stehen blieben. Diese Haussteuern werden nach Herkommen 
nicht vom Miether, sondern vom Hauseigenthümer entrichtet, da das Haus- 
eigenthum normale Grundlage des aktiven Bürgerrechts bildete, das Miethsverhältniß 
dagegen in der Regel nur bei Schutzverwandten einerseits, bei eximirten Personen (landes-
	        
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