Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

82 Generalversammlung. 
Beziehung mit der Deutschen Gesetzgebung ’ verhält. Der richtigen Meinung 
nach hat dieselbe an den allgemeinen Grundsätzen nichts geändert. Wenn für einen 
Beschluß der G., welcher die Abänderung des Statuts oder die Fortsetzung der Ge- 
sellschaft über die statutenmäßige Zeit zum Gegenstand hat, eine besondere Form 
gefordert wird (OGB. Art. 213; Genossenschaftsges. § 6), se ist damit keineswegs 
ein solcher Beschluß stets für zulässig erklärt. Und wenn für Aktiengesellschaften aus- 
drücklich bestimmt ist, daß in Ermanglung einer statutarischen Festsetzung die Ab- 
änderung des Gegenstandes des Unternehmens und die Fusion: „nicht durch Stim- 
menmehrheit beschlossen werden können" (OG#B. Art. 215), so sind damit weder son- 
stige ausdehnende Verfassungsänderungen ohne Weiteres dem Mehrheitsbeschluß unter- 
worfen, noch ist damit gesagt, daß die hervorgehobenen Angelegenheiten immerhin 
durch einen Beschluß der G., der nur hier ein einstimmiger sein müsse, erledigt 
werden können. Dagegen geht die Ansicht Renaud's, nach welcher überhaupt 
jede Verfassungsänderung und auch die Auflösung des Vereins der Kompetenz der 
G. an sich entzogen ist, zu weit. Denn wo es sich nur um Fragen der äußeren 
Gesellschaftsordnung handelt oder wo eine partielle oder völlige Entfesselung der 
bisher korporativ gebundenen Mitgliedersphären stattfindet, verfügt die Körperschaft 
nicht über fremde Rechtssphären, sondern nur über ihr eigenes Sein. Darum kann 
z. B. eine theilweise Rückzahlung des Grundkapitals oder die völlige Auflösung der 
Aktiengesellschaft auch ohne statutarische Ermächtigung von der G. (und zwar mit 
Stimmenmehrheit) beschlossen werden (HG#B. Art. 242 u. 248). Ebenso die Auf- 
lösung einer eingetragenen Genossenschaft (§ 34). 
Vor Allem endlich folgt aus dem aufgestellten Prinzip, daß die G. in die 
eigenen Rechte der Mitglieder ohne deren Zustimmung nicht eingreifen kann. Wenn 
das Gesetz die G. zur Ausübung der den Mitgliedern zustehenden gesellschaftlichen 
Rechte beruft, so gilt dies doch nur von ihren rein korporativen Rechten. Es gilt 
dagegen nicht nur selbstverständlich nicht von ihren außergesellschaftlichen Rechten, 
sondern auch nicht von ihren korporativen Sonderrechten (jura singulorum in uni- 
versitate), die zwar mit der Mitgliedschaft verfassungsmäßig verknüpft sind, zugleich 
aber einen Bestandtheil der Individualsphären ihrer Subjekte bilden (vgl. Entsch. 
des RO C-G. vom 13. Sept. 1873 Bd. XI. S. 119, vom 6. April 1877 
Bd. XXII. S. 19). Darum kann z. B. die G. der Aktiengesellschaft den einzelnen 
Aktionären ihren statutenmäßigen Anspruch auf Dividende nicht gültig entziehen oder 
verkürzen (Entsch. des ROSG. vom 26. Okt. 1874 Bd. XIV. S. 355, vom 4. 
Januar 1876 Bd. XIX. S. 141), ihr Stimmrecht nicht beschränken, keine Bevor- 
zugungen eines Aktionärs vor den übrigen Aktionären einführen. Ebenso kann die 
eingetragene Genossenschaft über den Geschäftsantheil des Genossenschafters nicht 
disponiren. Beschlüsse der G., welche in das Sonderrecht eines Mitglieds eingreifen, 
können von diesem im Wege der gerichtlichen Klage als ungültig angefochten wer- 
den; die rechte Beklagte ist dabei die Körperschaft als solche, welche durch ihr 
oberstes Organ die Vesletzung des Sonderrechts vollzogen hat (Entsch, des ROS. 
vom 14. Sept. 1875 Bd. XVIII. S. 163). 
Eine G. kommt nicht nur während des Bestandes der Körperschaft vor, son- 
dern auch nachher und vorher. Während der Liquidation der Aktiengefellschaft 
wie der eingetragenen Genossenschaft üben die gewesenen Mitglieder ihre gemein- 
schaftlichen Rechte in den gesetzlichen resp. statutarischen Formen der G. aus (H#. 
Art. 244; Genossenschaftsges. 88 40, 43, 46, 48, 49), so daß also die bloße Rechts- 
gemeinschaft der Theilhaber noch durch die Nachwirkungen der fortgefallenen korpo- 
rativen Existenz beherrscht wird. Eigenthümlicher noch ist bei der Aktiengesellschaft 
die gesetzliche Voraussetzung und Anerkennung einer bereits nach Maßgabe des künftig 
geltenden korporativen Statuts zu berufenden und fungirenden G. (Art. 209c), 
welche vor der Eintragung und somit vor der Existenz der Aktiengesellschaft die 
Kautelarbeschlüsse der Art. 209a und 209 b erforderlichen Falls zu fassen (vgl. den
	        
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