Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Offerte. 943 
werden sollen; dem Verhafteten steht jedoch ein Recht auf Verbringung an einen 
anderen Ort nicht zu. 
Insofern man die Publikation der Gerichtsverhandlungen in der Presse als 
„mittelbare O. d. V.“ bezeichnet, ist zu bemerken, daß nach preßpolizeilichen Be— 
stimmungen, um Beeinflussungen zu verhüten und den Charakter der O. erst der 
Verhandlung selbst zu gewähren, die Veröffentlichung von Anklageschriften und anderen 
amtlichen Schriftstücken eines Strafprozesses vor der Kundgebung in der Verhandlung 
oder vor dem Ende des Verfahrens verboten ist. 
Quellen: — §8 45—91, 170—177, 195. — RötrafPO. 88 102, 106, 190—192, 
272. 5 66 .6 — Sesterr. StrafPO. (1873) §§ 97, 162, 228—231, 281. 3.— Deutsches 
re e 
Preß Feuerbach, Betr. über O. und Mündl., I. S. 19 ff. — Mittermaier, Münd- 
Lichkche S 233 ff. — v. Jagemann, Die O. des Strafverfahrens. — Zachariä, 
Strafverf,. I. S. 50 ff. — Renaud, Civ.Prz., § 80. — Endemann, Lehrb. des Civ. Prz., 
8 96. — Uullmann, Oesterr. Straf Prz. R., 88 19, 20. — Gneist, Vier Fragen zur 
StrasfO., S. 83 ff. — H. Meyer, Mitwirkung der Parteien im StrasPrz. — Glaser, 
Dochow uus Fuchs in v. Holtzendorff' s StraspPrz.R., I. S. 6, 18, 22, 5 54, 73. 132, 
467 v. Jagemann. 
Offerte ist das Anerbieten zur Vertragsschließung bei obligatorischen 
Verträgen also die einem Anderen gegenüber erfolgte Erklärung des Willens, Schuldner 
oder Gläubiger desselben oder beides zugleich zu werden. Kommt zu der O. die 
Annahme, so ist der Vertrag perfekt. Dieser Grundsatz ist anscheinend einfach; 
indessen in Ermangelung einer Vertragsform wie die Römische Stipulation, welche 
über das Vorhandensein und den Zeitpunkt der Willenseinigung in concreto kaum 
einen Zweifel aufkommen ließ, ist die vorliegende Lehre heutzutage besonders reich an 
Streitfragen. — Zunächst fragt sich, welche Erklärung als wirkliche (verbindliche) O. 
gilt. In dieser Beziehung läßt sich der Grundsatz aufstellen, daß die Absicht, einen 
konkreten Vertrag (dessen Essentialien also darin enthalten sein müssen) einzugehen, 
erkennbar sein muß; mit anderen Worten ein bindendes Anerbieten muß ernstlich 
und bestimmt sein. Eine O. an mehrere bestimmte Personen in der Weise, 
daß nur mit dem ersten Acceptanten ein Vertrag zu Stande kommen soll, ist voll- 
kommen bindend, und ebensowenig ist nach der richtigen Meinung die Wirksamkeit 
einer richtigen O. an incertae personage schlechthin ausgeschlossen. Weitere, namentlich 
für Verträge unter Abwesenden (Distanzgeschäfte) wichtige Fragen sind: Bis zu 
welchem Zeitpunkte kann die O. zurückgenommen werden? Wann muß die Annahme 
geschehen, um den Offerenten zu binden? Wodurch geschieht die Annahme? — Die 
gemeinrechtlich hierüber bestehenden Kontroversen sind zum Theil durch die neueren 
Gesetzbücher entschieden. Das Preuß. Allg. LR., das Oesterr. BSB. und das H#. 
gehen davon aus, daß dem Anerbieten eine gewisse, während einer durch den Offerenten 
oder durch Gesetz bestimmten Zeit verpflichtende Kraft innewohnt, dergestalt, daß 
erst nach fruchtlosem Ablauf dieser Zeit der Offerent frei wird und ein vorher er- 
klärter Widerruf nur dann wirksam ist, wenn er bereits vor oder mit der O. dem 
Anderen zugeht. Ein Gegenwärtiger hat sich sofort („ohne Verzug“) zu erklären; ein 
Abwesender hat im Allgemeinen soviel Zeit, als zur Beantwortung mit ordentlicher 
Gelegenheit, d. h. mit den gewöhnlichen Korrespondenzmitteln (nicht Telegraph) — 
nach Oesterr. BGB. zur zweimaligen Beantwortung — erforderlich ist; jedoch geben 
das Preuß. Allg. LR. und das Oesterr. BGB., wenn beide Theile sich an demselben 
Orte befinden, 24 Stunden Frist. Nach dem HGB. muß indessen der Offerent, wenn 
nach Ablauf der Frist die rechtzeitig abgesandte Annahme eintrifft, unverzüglich 
(sofern dies nicht schon vorher geschehen ist) seinen Rücktritt notifiziren, widrigenfalls 
der Vertrag besteht. Eine verspätete Annahmeerklärung kann unter Umständen als 
neue O. gelten. Das Sächs. BE. steht mehr auf dem Standpunkte des Gemeinen 
Rechts. Es läßt den Widerruf, falls Offerent keine Bedenkzeit bestimmt hat, bis zur er- 
klärten Annahme zu; bei verzögerter Annahme verliert das Anerbieten von selbst seine
	        
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