Okkupation. 945
Bischofssitz, namentlich in den vom Bischof selbst vorbehaltenen Fällen, zu verwalten
hatten. Heute sind noch theilweise, z. B. in einzelnen romanischen Ländern, die
beiden letztgedachten Ausdrücke gleichbedeutend und bezeichnen dann den Stellvertreter
für die Handhabung der bischöflichen Regierungs= und Gerichtsgewalt, welcher freilich
kraft Gemeinen Rechts gewisse aus dieser herfließende Befugnisse nur vermittelst be-
sonderer Spezialvollmacht vornehmen kann, und dessen Rechte mit dem Tode des
Bischofs erlöschen. In anderen Ländern, so z. B. in den Deutschen Dihzesen, ist
aber eine Trennung in der Stellvertretung des Bischofs in der Weise hergebracht,
daß der Generalvikar nur die Verwaltungsgeschäfte im eigentlichen Sinne führt, der
O. dagegen die Gerichtsbarkeit auszuüben hat. Die officiales foranei kommen heute
nicht mehr vor. Die sich jetzt vereinzelt findenden Offizialate (so das des Bischofs
von Münster in Vechta für Oldenburg) oder Kommissariate (z. B. des Erzbischofs
von Prag für die Preußische Grasschaft Glatz) sind daher entstanden, daß hier Diö-
zesen eines Landes in den Bereich eines anderen übergreifen und deshalb besonders
organisirte Vertretungen für die Ausübung der bischöflichen Gerechtsame haben ge-
schaffen werden müssen.
Lit.: A. Hieron. Andreucci, De triplici vicario, generali, capitulari et foraneo
(Hierarchia ecclesiast. in var. part. suas distrib.) 3 Tom. Rom. 1766, T. I. p. 272 ss. —
Moy in seinem Archiv für kathol. Kirchenrecht, IV. 402 ff. — Friedle, a. a. O. XV.
337 ff. — P. Hinschius, Kirchenrecht, II. 205 ff. P. Hinschius.
Okkupation ist die einfeitige Besitzergreifung einer eigenthumsfähigen Sache
mit dem Willen und mit der Wirkung des Eigenthumserwerbes. Die Sache muß
herrenlos sein, d. h. zur Zeit in Niemandes Eigenthum stehen, oder doch wenigstens
dafür gelten, wie die Sachen des Feindes. Im ersten Falle ist unwesentlich, ob die
Sache noch nie einen Eigenthümer gehabt hat, oder ob sie einen solchen nicht
mehr hat.
I. Das Römische Recht zählt die O. zu den Erwerbsarten nach jus naturale,
d. h. zu den überall anerkannten. Nicht dem Wortlaute, aber dem Sinne nach ist
den Quellen der Satz entnommen: Res nullius cedit primo cuique occupanti. Die
Hauptanwendungsfälle im Römischen Recht — nach den einzelnen herrenlosen Sachen
geordnet — sind:
1) Die O. von Thieren in ihrer natürlichen Freiheit (bzw. wenn sie dieselbe
wiedergewonnen haben). Das Thier gehört demjenigen, welcher zuerst wirklich Besitz
davon ergreift — einerlei, ob auf fremdem oder eigenem Boden; der Eigenthümer
des Grund und Bodens ist nur berechtigt, den Nichteigenthümer am Betreten des-
selben zu hindern, und kann eventuell die actio iniuriarum und die Besitzinterdikte
gegen ihn anstellen. Der Wilderer (d. h. der trotz eines Verbotes Okkupirende) er-
wirbt nach Römischem Recht Eigenthum; ein eigentliches Jagdrecht kannte das
Römische Recht sicher noch nicht (anderer Meinung: v. Wächter, Das Jagdrecht
und die Jagdvergehen, Leipz. 1869; vgl. Windscheid, § 184 Note 5). Der
Besitz des Thieres ist sogar schon dann erworben, wenn man auf eigenem Boden oder
auf fremdem, consentiente domino, Schlingen oder Fallen gestellt hat, und ein Thier
sich so gefangen hat, daß es sich allein nicht wieder befreien kann (I. 55 D. de A.
R. D. 41, 1). S. die Art. Jagd-, Fischerei-, Bienenrecht.
2) Ebenso sind okkupationsfähig die im Meere auftauchenden Inseln, die Fluß-
inseln bei limitirten Aeckern und die res omnium communes, an denen man durch
Ausscheidung Eigenthum erwerben kann.
3) Die occupatio bellica. Nach antikem Völkerrecht wird die Person und die
Sache des feindlichen Bürgers als res nullius behandelt und ist deshalb Gegenstand
der O. mit der Maßgabe, daß das eroberte Land und das vom Römischen Soldaten
Erbeutete Eigenthum des Römischen Staates wird. Dies ließen die Römer für und
gegen sich gelten, nur trat im letzteren Falle bei Grundstücken, Dienstpferden u. Last-
schiffen das ius postliminü (Heimkehrrecht) ein. S. die Art. Beute u. Prifenrecht.
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon II. 3. Aufl. 60