Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Ortsstatuten. 973 
Privatrechtssätzen verstattet, wie z. B. in Hannover in den Jahren 1857—1862 
mehrfach durch königlich sanktionirte Gemeindebeschlüsse Näherrechte aufgehoben und 
die Ziehzeiten bei der Wohnungsmiethe abgeändert sind (vgl. Kraut, Grundriß, 
5. Aufl. § 19 Nr. 1—3). Ebenso greifen die nach der Reichsgewerbegesetzgebung 
zulässigen O. (vgl. unten) zum Theil in das bürgerliche Recht ein. Jedenfalls-endlich 
können nach den neueren Gemeindegesetzen die Gemeinden hinsichtlich der mit der Ge- 
meindemitgliedschaft verknüpften besonderen Privatrechte (z. B. Gemeindenutzungs- 
rechte) statutarische Anordnungen treffen, welche insoweit, als sie die Bedingungen 
des Erwerbes und der Ausübung von jura singulorum in universitate regeln, sich 
als eigenthümliche Privatrechtsnormen für einen korporativen Kreis darstellen (val. 
z. B. Preuß. Gesetz vom 14. Mai 1860; Großh. Hessische Städteordn. von 1874 
Art. 9 und 114 ff.). 
Auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts ist das eigene Verfassungs- 
und Verwaltungsrecht, welches bei anderen Korporationen den Hauptgegen- 
stand der Autonomie bildet, durch die uniformirende Gemeindegesetzgebung unserer 
Zeit in seinem wesentlichen Inhalt dem Selbstsatzungsrecht der Ortsgemeinden ent- 
rückt. Nur da, wo es an durchgreifenden generellen Gemeindeordnungen fehlt, wie dies 
in Preußen hinsichtlich der Städte Neuvorpommerns und hinsichtlich der Landgemeinden 
der östlichen Provinzen und Schleswig-Holsteins der Fall ist, beruht die innere Ver- 
fassung der Gemeinden noch hauptsächlich auf besonderem Ortsrecht. Dabei ist dann 
aber die Um= und Fortbildung des Ortsherkommens oder des bisherigen geschriebenen 
Ortsrechtes durch organische O. an gewisse vom Staate vorgezeichnete Grundzüge 
gebunden, und es ist der Staatsbehörde nicht nur die freie Genehmigung oder Ver- 
werfung eines von der Gemeinde zu Stande gebrachten neuen Verfassungsgesetzes, 
sondern erforderlichen Falls auch die selbständige Einrichtung der Ortsverfassung 
überlassen. Indeß haben auch die uniformirenden Gemeindeordnungen in neuerer Zeit 
wieder mehr und mehr innerhalb des von ihnen aufgestellten Rahmens der Gemeinde- 
autonomie einen gewissen Spielraum gewährt. Vielfach werden verschiedene Ver- 
fassungsormen, namentlich die Verfassung mit getrennten und mit vereinigten Ver- 
waltungs= und Vertretungsorganen, derart zur Wahl gestellt, daß durch O. der 
Uebergang von der einen zur anderen Form vollzogen werden kann (Bvgl. z. B. 
Königl. Sächs. Städteordn. von 1873 § 37 ff.). Ueberall aber werden statutarische 
Anordnungen über solche Punkte des inneren Körperschaftsrechts zugelassen, über 
welche das Gesetz keine Bestimmungen enthält oder bei welchen es ausdrücklich Ver- 
schiedenheiten gestattet. Letzteres ist z. B. nach den Preuß. Städteordn. für die 
östlichen Provinzen und für Westfalen von 1853 und 1856 bezüglich der Zahl 
der Stadtverordneten und Stadträthe, der Bildung ständiger Verwaltungsdeputationen, 
der Ertheilung eines Bürgerbriefs, des Bürgerrechtsgeldes, des Schätzungsmodus 
nach Steuerfähigkeit oder Einkommen, der Ordnungsstrafen gegen Steuerkontravenienten, 
des Kämmereramts und der Wahltermine der Fall. Eine weitergehende Kompetenz 
räumen dagegen z. B. die Hannov. Städteordn von 1851 und 1858 den O. ein 
(vgl. §§8 1—3 nebst den Verweisungen auf O. in §§ 27, 32, 36, 38—42, 44, 45, 
47, 83 ff., 134—136). 
Was das mit der Korporationsverfassung nicht zusammenhängende gemeine 
öffentliche Recht betrifft, so kann in dieser Hinsicht das Recht der Gemeinde- 
behörden zum Erlaß örtlicher Polizeiordnungen überall da, wo (wie in Preußen) 
die Ortspolizei nur kraft staatlichen Auftrags von Gemeindeorganen geübt wird, 
nicht als Bestandtheil der Gemeindeautonomie gelten. Wo dagegen die Ortspolizei 
(wie in Württemberg, Braunschweig, Weimar und Oesterreich) der Gemeinde als 
eigenes Recht zusteht, übt die Gemeindebehörde auch beim Erlaß örtlicher Polizei= 
verordnungen ein kommunales Satzungsrecht aus. Hiervon abgesehen, werden in 
sehr verschiedenem Umfange durch die Deutschen Landesgesetze Materien des öffent- 
lichen Rechts der Regelung durch O. überlassen. Vor Allem aber hat die Deutsche
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.