Postverwaltung. 109
Postverwaltung. Noch vor wenigen Jahrzehnten gab es Gelehrte, welche,
vornehm auf jede wissenschaftliche Betrachtung des Postwesens herabblickend, einem
Art. P. keinen Raum in einem Rechtslexikon zuerkannt hätten. Männer, wie
Klüber, welcher 1811 sein „Postwesen in Teutschland, wie es war, ist und seyn
könnte“, veröffentlichte, versuchten allerdings schon damals die Aufmerksamkeit des
staatsrechtlich gebildeten Publikums auf diesen Verkehrszweig zu lenken: im Ganzen
aber blieb das Interesse ein mattes. Jetzt hat sich das geändert: heutzutage wird
der Werth einer wissenschaftlichen Betrachtung des Postwesens nicht mehr unter-
schätzt, und der allseitig gebildete Jurist mag und muß sich auch mit den auf den
ersten Blick ihm ferner liegenden Fragen der P. beschäftigen.
Wenn man bei der geschichtlichen Skizzirung des Postwesens zurückgreift auf
die durchdachten Verwaltungseinrichtungen der Aegypter und Perser, von welchen
uns Herodot und Diodor berichten (Herodot, I. 128, 130; II. 35, 93, 96,
103; III. 126; VIII. 98. — Diodor, I. 50; II. 45, 46, 53, 54), auf die Or-
ganisation des cursus publicus der Römischen Kaiserzeit, über welchen der Codex
Theodosianus (VIII. 5) eingehende Bestimmungen aufbewahrt (ck. Ritter von
Rittershain in den v. Holtzendorff-Virchow'schen Vorträgen und Hude-
mann, Röm. Postwesen), oder selbst auf das Edit pour l'établissement des Postes
Ludwig's XI. vom 19. Juni 1464, so ist dies kulturhistorisch bedeutsam, kann
aber hier füglich unterbleiben. Vom Standpunkt des Verfassungs= und Verwaltungs-
rechts sind jene Verhältnisse dermaßen andersartige, daß eine Anknüpfung daran
unpraktisch wäre. Fehlte doch jenen Instituten, als lediglich für die Beförderung
der Staatsbriefschaften bestimmten, vor allem das Merkmal der allgemeinen Zu-
gänglichkeit, welches wir heute beim Begriffe Post als Essentiale erachten; ein Merk-
mal, das im Mittelalter weit eher als von Staatswegen in den Begriff hinein-
getragen wurde durch die privaten Beförderungsanstalten, welche ausgingen von den
einzelnen Interessenkreisen, von den Centren des Handels und der Industrie, von
den Brennpunkten geistigen Lebens (städtische Botenanstalten, Metzgerposten, Boten
der Universität Paris und des Deutschen Ordens).
Auch die uns näher stehende P. im heiligen Römischen Reiche hat
nicht mehr denn historisches Interesse: die P. galt dort de jure als Reichssache,
de facto ist sie es nie gewesen. Bekanntlich war die Reichspost dem alten Mai-
länder Geschlechte della Torre et Tassis am 27. Juli 1615 förmlich zu Lehen
gegeben: aber die Reichsfürsten erkannten diese Belehnung niemals an, richteten un-
beirrt ihre P. ein und beriefen sich wiederholten Anträgen des Grafen von Thurn
und Taxis gegenüber mit Recht auf das Beispiel des Kaisers, welcher ja selbst in
seinen Erblanden nicht die Taxissche, sondern eigene P. hatte. So hat sich die P.,
wie so Vieles im alten Reiche territorial entwickelt: die einzelnen Fürsten, wie von
Brandenburg, Sachsen rc. hatten ihre eigenen P. Nicht in den Kaiserlichen Man-
daten oder den Taxis'schen Kombinationsrezessen, als vielmehr in den Churbranden-
burgisch-Preußischen Postordnungen sind die Wurzeln der heutigen P. zu suchen.
Nur in den kleineren Staaten behielten die Thurn und Taxis die P., nachdem theils
einzelne Verträge (of. Klüber, § 434 Not. c) theils der Reichsdeputationshaupt-
schluß § 13 und Art. 17 der Bundesacte (cef. Stängel, Postwesen, 1844, S. 155 ff.)
die Rechte derselben bestätigt hatten.
Mehr als bisher schließt sich nach dem gänzlichen Aufhören der Reichspost
die Entwickelung zu Zeiten des Deutschen Bundes an das Territorialstaatsrecht an.
Im Innern wird der Verwaltungsorganismus ausgebaut in Preußen, welches die
Postordnung vom 26. November 1782 und die Bestimmungen des Allg. LR. Th. II.
Tit. 15 Abschn. 4 durch die Postordnung vom 5. Juni 1852 ersetzte; nach außen
suchen sich die einzelnen Deutschen P. durch Einführung gemeinsamer Verwaltungs-
und Betriebsnormen enger aneinander zu schließen. Den Zeiten der völkerrechtlichen
Verbindung Deutschlands, den Zeiten des Bundes, entspricht ein völkerrechtlicher