Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

128 Prävarikation — Prävention. 
unter letzterer zweierlei: 1) die absichtliche Uebergehung, d. h. Nichthinterlassung 
des Pflichttheils durch Stillschweigen über einen bekannten Pflichttheilsberechtigten; 
2) unabsichtliche Uebergehung, d. h. Nichterwähnung eines Pflichttheilsberechtigten 
aus Unbekanntschaft mit demselben (Irrthum); so, weil dessen Recht durch Nach- 
geburt oder anderweit erst später entstanden, weil derselbe für todt gehalten oder 
sein Dasein oder Anspruch dem Testator unbekannt gewesen. Die Wirkungen solcher 
Uebergehung bestimmen jene Gesetzbücher verschieden, am folgerichtigsten das Sächsische 
dahin, daß im Falle 1 die Anfechtung des letzten Willens nur bis zum Betrage 
des Pflichttheils gestattet wird, im Falle 2 aber der (Irrthümlich) Uebergangene 
sein volles gesetzliches Erbrecht verfolgen kann, somit den instituirten extraneus ganz 
verdrängt. neben eingesetzten gleichnahen Pflichttheilsberechtigten aber als gesetzlicher 
J eintritt. 
Lit. u. Quellen: Francke, Das Recht der Notherben 2c., §§ 2 ff. — Schnidt, Das 
formelle Richt der Notherben, S. 18 8 ff. — Schröder, Das Potheterch (1827). — 
Veringn r’ Erbrecht, IV. ff.; XII. — Windscheid, Lehrb., III. §§ 576 — Inst. 2, 
13. — D. 28, 2. 37, 4. — C. 6, 28. 29.— Nov. 115, c. 3—5.— Code civ. art. 913 ff., 920 ff. — 
Preuß. Allg. LK. II. 2 §§8 432 ff., 442 ff. — Oesterr. BGB. 9§ 776 ff., 1254. — Sidh BGB. 
88 2600 ff., 2564. — dommsen, Erbr.-Entw., §§ 498 ff. Schütze. 
Prävarikation (Th. I. S. 748) im eigentlichen Sinne begeht der Ankläger, 
welcher mit Uebertretung seiner Pflicht den eines öffentlichen Verbrechens Angeklagten 
begünstigt. So bedroht § 346 des Deutschen Straf GB. denjenigen Beamten mit 
Strafe, welcher in der Absicht, Jemanden der gesetzlichen Strafe rechtswidrig zu ent- 
ziehen, die ihm obliegende Verfolgung einer strafbaren Handlung unterläßt, oder 
eine Handlung begeht, welche geeignet st, eine Freisprechung oder eine dem Gesetze 
nicht entsprechende Bestrafung zu bewirken, oder die Vollstreckung der ausgesprochenen 
Strafe nicht betreibt, oder eine gelindere als die anerkannte Strafe zur Vollstreckung 
bringt. Im abgeleiteten Sinne ist Derjenige einer P. schuldig, welcher, ver- 
pflichtet streitige Rechte zu vertreten, den Gegner seines Machtgebers begünstigt. 
So erklärt § 356 des Deutschen Straf GB. denjenigen Anwalt oder Rechtsbeistand 
für strafbar, welcher in den ihm amtlich anvertrauten Angelegenheiten in derselben 
Rechtssache beiden Parteien durch Rath oder Beistand pflichtwidrig dient. Diese 
Fassung läßt die alte Streitfrage offen, ob das Gesetz auch denjenigen Anwalt strafen 
will, welcher, in einer später anhängig werdenden Rechtssache einen Auftrag seines 
früheren Gegners annimmt, während dieser Auftrag dasselbe Geschäft wie der frühere 
Prozeß betrifft. Doch gebietet § 31 der Rechtsanwaltsordnung dem Rechtsanwalt 
seine Berufsthätigkeit zu versagen, wenn sie von ihm in derselben Rechtssache bereits 
einer anderen Partei im entgegengesetzten Interesse gewährt ist. 
Lit.: Feuerbach, Lehrb., § 425. — v. Schwarze und Oppenhofr Kommentar zu 
§§ 346 u. 356 des Deutschen Straf B. v. Kräwel. 
Prävention ist vorhanden, wenn eine Partei, sei es dem Gegner oder im 
Strafverfahren dem konkurrirenden Verfolgungsbeamten, durch Erhebung der Klage 
bei einem Gericht zuvorgekommen ist und dadurch einen bestimmten Gerichtsstand 
für das weitere Verfahren begründet hat. Der Ausdruck ist offenbar der 1. 7 D. 5, 1 
entlehnt, welche an einem konkreten Fall die Regel aufstellt, daß bei einmal erhobener 
Klage der Beklagte dem Gerichtsstand unterworfen bleibt, auch wenn er nachher 
z. B. durch Privilegium einen anderen erhalten hat („quasi praeventus", vgl. auch 
1. 19 pr. D. 2, 1; 1. 7, 30 D. 5, 1). Außer diesem Fall ist aber die P. sowol 
im Civil= als Strafprozeß bei einem Zusammentreffen der Gerichtsstände von 
Bedeutung. 
I. Im Civ. Prz.; hier sind zwei Fälle denkbar: 
1) Beide Theile sind zur Uebernahme der Klagerollen gleichberechtigt, so bei 
den sog. judicia duplicia: Theilungsklagen und interd. retin. possessionis; sowie
	        
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