Preßgesetzgebung. 133
3. März 1848 den Deutschen Staaten die Beseitigung der Censur freigestellt hatte,
bestimmten die Deutschen Grundrechte vom 21. Dezember 1848 in Art. 4: „Die
Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise durch vorbeugende
Maßregeln, namentlich Censur, Konzessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflage,
Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postverbote oder andere
Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder ausgehoben werden
Ein Preßgesetz wird vom Reiche erlassen werden.“ Aber nochmals sollte die Ent-
wickelung der Preßfreiheit gehemmt werden durch die wieder zur Herrschaft gelangte
rückläufige Bewegung. Der berüchtigte Bundesbeschluß vom 6. Juli 1854
konnte zwar die Censur nicht wieder einführen, aber andere „vorbeugende Maßregeln“
trachtete er zu konserviren. Konzession bei Preßgewerben und Entziehung derselben
im Verwaltungswege, Verwarnungssystem (avertissements), äußerste Beschränkung
des fliegenden Buchhandels, Kautionsbestellung bei politischen periodischen Druck-
schriften, strenge Haftung für Preßdelikte 2c. — das waren die „Garantien“, die
man für nöthig hielt, um Mißbräuchen der gewährleisteten „Preßfreiheit“ entgegen
zu wirken. Der Bund hatte seine Unfähigkeit zur Regelung des Preßrechts mit
diesem Beschluß klar nachgewiesen; den Einzelstaaten oblag es nunmehr, selbständig
die Sache in die Hand zu nehmen. — Nur wenige von ihnen führten den Bundes-
beschluß aus; andere blieben ihren älteren, vor 1854 erlassenen Gesetzen treu; eine
dritte Gruppe schritt selbständig zu neuer gesetzlicher Regelung (Uebersicht in den
Motiven zum Entwurf von 1874; vielfach abgedruckt, z. B. bei Berner, Preßrecht,
S. 64 ff.). Hervorzuheben sind 1) das Preuß. Ges. vom 12. Mai 1851 (Aende-
rungen v. 6. März 1854 und 21. Mai 1860), im Allgemeinen von demselben Geiste
beherrscht, wie der Bundesbeschluß von 1854; Kommentare dazu von Rönne
(1851), Schwarck (1862), Thilo (1862) und Hartmann (1865). Die
Zeitungsstempelsteuer betreffen die Ges. vom 29. Juni 1861 und 26. September
1862. Die octroyirte Verordnung vom 1. Juni 1863 führte neue Beschränkungen
ein. 2) das Bayerische Ges. vom 17. März 1850; Kommentar von Brater
(1853). 3) Das Königl. Sächs. Ges. vom 24. Mai 1870; Kommentare von
Bausch (1870) und Barth (1870) — 4) In Oesterreich hatte die P. sich
anfänglich überstürzt; dafür blieb sie später zurück und hat bis auf den heutigen
Tag den Geist der fünfziger Jahre nicht los werden können. Auf die Gesetze vom
31. März 1848, 18. Mai 1848 und 13., 14. März 1849 folgte die durchaus
reaktionäre Preßordnung vom 27. Mai 1852. Sie wurde am 17. Dezember 1862
durch das noch heute geltende Preßgesetz verdrängt. Eine gut gemeinte, aber juristisch
ganz verfehlte Novelle vom 15. Oktober 1868 brachte einige weitere Erleichterungen.
Kommentar von Lienbacher (1863 I. Bd.; 1868 II. Bd).
III. Die Reichsgesetzgebung. Art. 4, Nr. 16 der Reichsverfassung hatte
die Bestimmungen über Preß= und Vereinswesen der Beausfsichtigung durch das
Reich unterworfen. Damit war der Anstoß zu einer weiteren gedeihlichen Entwicke-
lung der P. gegeben. Schon in der Sitzung vom 2. Mai 1871 erklärte das Reichs-
kanzleramt einem auf Beseitigung der Zeitungskautionen und der richterlichen Unter-
sagung des Gewerbebetriebes gerichteten Antrage gegenüber, daß sich die verbündeten
Regierungen für verpflichtet hielten, die gesetzliche Regelung des Preßrechts in die
Hand zu nehmen. Der Reichstag konnte demnach auf rasche Erfüllung seines
Wunsches rechnen, als er in der Sitzung vom 10. Mai 1871 den Beschluß faßte,
„den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage in der nächsten Session den Entwurf
eines für das ganze Bundesgebiet geltenden Preßgesetzes vorzulegen.“ Allein die
Vorlegung des Entwurfs verzögerte sich von Session zu Session. Endlich sah sich
der Reichstag veranlaßt die Initiative zu ergreifen. Windthorst (Berlin) und
Genossen legten am 12. März 1873 dem Hause einen Entwurf vor, der im Wesent-
lichen die Beschlüsse des 6. und 7. Journalistentages (1871 und 1872) wieder-
holte. Am 19. März 1873 wurde der Entwurf einer Kommission von 21 Mit-