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ausdrückliche Bestätigung desselben in dem Preßges. war aber schon wegen der da-
selbst im § 1 enthaltenen Bestimmung nothwendig, nach welcher die Freiheit der
Presse nur denjenigen Beschränkungen unterliegt, welche durch das Preßges. aus-
drücklich vorgeschrieben oder zugelassen sind. Eben darum ist § 30 strikte zu inter-
pretiren. Er umfaßt die gewerbsmäßige und die nicht gewerbsmäßige öffentliche
Verbreitung; dagegen nicht alle, sondern nur die aufgezählten Formen der öffentlichen
Verbreitung. So ist z. B. landesgesetzliche Beschränkung der entgeltlichen Vertheilung
von Plakaten ausgeschlossen.
Die Oesterr. Gesetzgebung (§ 23 des Preßges.) verbietet das Aushängen und
Anschlagen von Druckschriften in den Straßen und an anderen öffentlichen Orten
ohne besondere Bewilligung der Sicherheitsbehörde. Das Verbot bezieht sich jedoch
nicht auf Kundmachungen von rein örtlichem oder gewerblichem Interesse, als:
Theaterzettel, Ankündigungen von öffentlichen Lustbarkeiten, von Vermiethungen,
Verkäufen u. dgl., doch dürfen auch solche Ankündigungen nur an den von der Be-
hörde hierzu bestimmten Plätzen angeschlagen werden.
6. Die finanzielle Belastung der Preßgewerbe.
a) Die Reichsgesetzgebung hat (Preßges. § 30, Abs.), dem von Belgien,
Nordamerika, Frankreich, England gegebenen Beispiele folgend und den schon vor
1874 in einer Reihe von Deutschen Staaten, so Bayern, Württemberg, Sachsen,
Baden, Thüringen u. A., bestehenden Rechtszustand auf das ganze Reich übertragend,
die besondere Besteuerung der Presse und der einzelnen Preßerzeugnisse, also Zeitungs-
und Kalenderstempel, Abgabe von Inseraten u. s. w., beseitigt. Die
P. unterliegen fortan nur noch der auf den Landesgesetzen beruhenden allgemeinen
Gewerbesteuer. Damit ist — hoffentlich für immer — eine Maßregel gefallen, die,
von welcher Seite sie betrachtet werden mag, stets als irrationell erscheint. Die
besondere Besteuerung der P., die allerdings der Staatskasse eine reichliche sichere
und bequeme Einnahmsgquelle eröffnet, ist vom volkswirthschaftlichen Stand-
punkte aus verwerflich, weil sie (die „irrationellste aller Konsumtionssteuern“, wie
Lorenz v. Stein sie nennt) als Zeitungsstempel die tägliche geistige Nahrung des Volkes
vertheuert oder die periodische Presse dazu verführt sich für den pekuniären Ausfall
auf andere vielleicht unlautere Weise schadlos zu halten; weil sie als Inseraten-
abgabe an das Ungleiche schablonenhaft den gleichen Maßstab anlegt und den Armen,
der Beschäftigung sucht, ebenso trifft wie den Reichen, der seinen großen Besitz ver-
äußern will. Sie ist verwerflich vom politischen Standpunkte aus; sie soll als
Präventivmaßregel wirken, das Auftauchen kleiner mit geringem Anlage= und Be-
triebskapital ausgerüsteter Blätter verhindern, weil bei diesen die Gefahr eines Miß-
brauches der Preßfreiheit besonders nahe liege; und sie treibt damit die Presse dem
Großkapital in die Hände, bewirkt die Verbindung dieser beiden Mächte und potenzirt
dadurch ihren Einfluß. — Die Oesterr. Gesetzgebung ist bisher diesen Erwägungen
nur theilweise zugänglich gewesen. Das Gesetz vom 30. März 1874 hat alle Ge-
bühren für Ankündigungen, für Einschaltungen in periodischen Schriften, sowie für
Einschaltungen in Ankündigungs= und Anzeigeblättern aufgehoben. Damit ist die
Insertionssteuer gefallen. Aber die Zeitungsstempelsteuer leistete allen
Angriffen Widerstand. Nach der Verordnung vom 23. November 1858 unterliegen
derselben alle (nicht blos die politischen) Zeitschriften des In= und Auslandes, welche
ein oder mehrere Male in der Woche erscheinen; die Stempelgebühr beträgt 1 Kreuzer
für die im Inlande und in den Postvereinsstaaten erscheinenden, 2 Kreuzer für andere
Zeitschriften des Auslandes. Ausgenommen sind amtliche Zeitungen (vorausgesetzt,
daß ihr Inhalt eben rein amtlicher Natur ist, also dann nicht, wenn z. B. das
„Amtsblatt“ ausgedehnte Inseratenbeilagen hat), sowie Blätter, welche der Be-
sprechung rein wissenschaftlicher, künstlerischer, technischer oder anderer Fachgegenstände
gewidmet sind; doch werden diese letzteren dann stempelpflichtig, wenn sie Ankündi-
gungen (soweit diese sich nicht ausschließlich auf Gegenstände ihres Fachs beziehen,