Preßstrafrecht. 149
das Delikt in die Gruppe der Delikte durch öffentliche Gedankenäußerung, und wenn
in Druckschriften begangen, in die der Preßdelikte einzureihen. Anders, wenn die
Gedankenäußerung Mittel zum Zwecke, zur Herbeiführung weiterer Erfolge ist, und
die Norm erst mit der Erreichung dieses weiteren Zieles übertreten ist; so bei Be—
trug, Erpressung, Mißbrauch der Amtsgewalt. Mag hier immerhin die Presse be—
nützt sein, es liegt doch nie ein Preßdelikt vor (anders Oetker). Mit anderen
Worten: die Gedankenäußerung muß Begehung des Deliktes, nicht Mittel zur
Begehung sein.
Bei dem Preßdelikte erfolgt die Gedankenäußerung durch Verbreitung von
Druckschriften; darin liegt ihre Eigenthümlichkeit, die sie von den übrigen Fällen
der normwidrigen Gedankenäußerung unterscheidet. Die Druckschrift ist der
Gedanke, die Verbreitung seine Aeußerung. Eine Reihe von Konse-
quenzen wird uns klar, wenn wir an dieser Auffassung festhalten.
Vor Allem erkennen wir sofort die veränderte Gestalt, in welcher der
Gedanke uns hier entgegentritt. Er ist fixirt, verkörpert in der Druckschrift;
er ist sichtbar und greifbar geworden und hat durch die Vervielfältigung die Kraft
gewonnen, der Schranken von Zeit und Raum zu spotten. Und zugleich ist er
selbständig geworden, unabhängig von dem Willen seines Schöpfers, befähigt, in
Tausenden von Einzelindividuen auf eigene Faust in die Welt zu treten. Diese
selbständige und vielfache objektive Existenz der Duuckschrift wird noch lange
nicht in ihrer vollen Tragweite gewürdigt. Ihre Beachtung würde uns lehren, daß
man durch Bestrafung des Verfassers den Gedanken gar nicht trifft, objektive Maß-
regeln gegen die Druckschrift daher nothwendig sind; sie würde uns lehren, daß wir
auch in den allermeisten Fällen mit diesen objektiven Maßregeln unfer Ziel viel
sicherer erreichen, als wenn wir nach den schuldigen Personen suchen. Gefährlich
oder gar gemeingefährlich ist die Druckschrift nicht, aber ein selbständiges der Sinnen-
welt angehöriges Individuum: darum Beschlagnahme und Vernichtung. Wer den
Gedanken als Gedanken tödten will, macht sich eines Nonsens schuldig; wer den
fleisch-gewordenen Gedanken vernichtet, zieht nur die Konsequenz aus der Fleischwerdung.
Und ferner ergiebt sich, daß in der Verbreitung der Druckschrift, eben weil
sie die Aeußerung des Gedankens ist, die Begehungshandlung bei den
Preßdelikten als normwidrigen Gedankenäußerungen, liegt. Darum ist, was ihr
vorausgeht, Konzeption und Reinschrift des Manufkriptes, Abschließen des Verlags-
vertrages, Uebergabe an die Druckerei, Herstellung des Druckes (Satz, Korrektur,
Abdruck), Falten, Glätten, Heften, Binden des Buches und endlich auch die Aus-
gabe der Druckschrift (s. d. Art. Preßpolizei: Begriffsbestimmung der Druckschrift)
straflose Vorbereitungshandlung; darum ist mit der Verbreitung das Delikt als
vollendetes gegeben, und der Ort der Verbreitung der Ort der begangenen That.
Darum ist ferner der Verfasser, der in der verbreiteten Druckschrift zur Menge
spricht, der Thäter des Preßdeliktes; und der Verbreiter, den nöthigen dolus auf
seiner Seite vorausgesetzt, sein Mitthäter; darum ist für die Gehülfen, die das
Mittel, die Druckschrift, herstellen, für Drucker und Verleger, mit der Verbreitung
und an dem Orte der Verbreitung ihre strafbare Thätigkeit konsummirt.
Das Gesagte bedarf aber der Erläuterung. Der Begriff der Verbreitung ist im
Gesetze (Preßges. § 3) nicht definirt. Reiche Kafuistik findet sich in den Kommen-
taren und Lehrbüchern des Preß= und Strafrechtes. Sie interessirt uns hier nicht,
sondern der Begriff. Verbreiten ist Zugänglichmachen an das Publikum; eine
Thätigkeit, kein Erfolg, ein aktiver, kein passiver Begriff. Eine verbreitete Druck-
schrift ist eine Druckschrift, die verbreitet wird, nicht eine solche, die verbreitet ist.
Zugänglichmachen und nicht Zugänglich sein (publication und nicht publicité)
ist Verbreitung. Sie ist eine centrifugale Bewegung, eine Thätigkeit, die strahlen-
förmig von einem Mittelpunkte ausgeht, die eben darum begrifflich weder zeitliche
noch örtliche Schranken kennt. Und daraus folgt, daß der Begriff der Verbreitung