Privatanklage. 177
hauptsächlich auf die Rev. Königl. Sächf. Straf P O. lspeziell Art. 29—33.] und die
der Thüringischen Staaten zu verweisen.)
5) Erst seit dem Jahre 1860 ist zumeist in den Verhandlungen des Deutschen
Juristentages das Bedürfniß nach erweiterter Einführung der subsidiären P. zur
Sprache gebracht worden. Es handelte sich hierbei um das prinzipielle Bedürfniß
einer Korrektur der Befugniß der Staatsanwaltschaft, allein darüber zu entscheiden,
ob die strafrechtliche Verfolgung in einem bestimmten Falle zu unterbleiben habe
(sog. Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft). Von der einen Seite wurde geltend
gemacht, daß die Erhebung der Strafklage nicht in das Belieben, sondern in das
pflichtmäßige Ermessen des Staatsanwaltes gestellt sei, — daß eine Kontrole des
letzteren durch Einräumung einer Anklagebefugniß an den Beschädigten nur einen
Rückfall entweder in die privatrechtliche Auffassung des Strafrechts oder in den In-
quisitionsprozeß, welcher den Richter sich selbst in Bewegung setzen läßt, involvire. —
Von der anderen Seite ward aber betont, daß der Beschädigte ein ganz unverkenn-
bares unmittelbares und mittelbares Interesse an der Verfolgung des an ihm ver-
übten Deliktes habe, daß der Staatsanwalt über das öffentliche Interesse an der
Verfolgung der Delikte nach seinem Befinden urtheilen könne, einem Privaten aber
der Zugang zum Richter durch einen Beamten der Justizverwaltung nicht solle ver-
legt werden können. Der Deutsche Juristentag entschied sich nach eingehender Verhand-
lung für die Empfehlung der subsidiären P. in dem Sinne, daß wenn der Staats-
anwalt die Verfolgung einer strafbaren Handlung ablehne, der Beschädigte unmittelbar
bei Gericht den Antrag auf Einleitung der Untersuchung stellen könne. Da, wo der
Staatsanwalt von der erhobenen Anklage einseitig zurücktreten kann, wird man dann
dem Verletzten in gleichem Sinne gestatten müssen, die Sache weiter zu führen.
Andererseits empfehlen sich als Korrekturen gegen Mißbräuche der P.: die Ein-
schränkung derselben auf die erste Instanz, die Verpflichtung des Staatsanwaltes,
die Sache im Auge zu halten und dessen Berechtigung, die Verfolgung wieder selbst
in die Hand zu nehmen, und die Haftung des Privatanklägers für die Kosten im
Falle der Freisprechung des Angeklagten.
Seither ist in doppelter Richtung eine Wandlung eingetreten. Einerseits hatte
die Deutsche Reichsgesetzgebung im Strafgesetz und in ergänzenden Gesetzen eine große
Anzahl von Antragsdelikten geschaffen und diefelben durchaus gleichartig mit weit-
gehenden Befugnissen des Antragsberechtigten ausgerüstet; es waren die gemachten
Erfahrungen keine günstigen, und es ward auf Aenderung der Gesetzgebung, theil-
weise mit Erfolg, hingearbeitet. Andererseits aber griff in die legislativen Erörterungen,
eine über die Deutschen Grenzen hinaus (speziell nach Italien) sich fortpflanzende
Bewegung ein, welche mit der ursprünglich vom Deutschen Juristentage empfohlenen,
vorsichtig eingeengten P. sich nicht begnügte, indem man, uneingedenk der schlimmen
Erfahrungen der antiken Welt, eine susidiäre Popularklage, selbst ein mit dem der
Staatsanwaltschaft konkurrirendes staatsbürgerliches Anklagerecht alles Ernstes zu
sordern beginnt, wobei man übersieht, daß es unmöglich ist, abnorme Verhältnisse
in der obersten Leitung des Staates, wie sie allein eine Abhülfe in dieser Richtung
wünschenswerth erscheinen lassen könnten, durch Justizeinrichtungen zu beseitigen, am
wenigsten aber dies dadurch versuchen sollte, daß man der Parteileidenschaft das
Gebiet der Strafrechtspflege als ein ganz neues Feld des Kampfes erschließt und die
Staatsregierung immer mehr in eine Parteistellung drängt.
II. (Oesterreich.) Bei Darstellung des neuesten Standes der Gesetzgebung
muß zunächst Oesterreich erwähnt werden, weil dort die StrafP O. von 1873
und der im Jahre 1874 dem Reichsrathe vorgelegte Entwurf eines Strafgesetzes die
unter I erwähnten Fragen ihrer Lösung durch planmäßiges Ineinandergreifen des
materiellen und Prozeßrechtes zuzuführen suchten. Das in Oesterreich bestehende
materielle Strafrecht kennt nur wenige Ausnahmen von dem Grundsatz der Ver-
folgung der Delikte von öffentlichen Amts wegen; diese wenigen Delikte, deren „straf-
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 12