Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

216 Prozeßleitung. 
schriftliche Vollmacht für den Prozeß fordert und dem Gegner das Recht gewährt, 
die gerichtliche oder notarielle Beglaubigung derselben, wenn sie nur in einer Privat- 
urkunde enthalten ist, zu verlangen, findet auch auf derartige nicht direkt und aus- 
schließlich zur Prozeßführung legitimirende Vollmachten Anwendung. 
Die Doktrin des Gemeinen Progesses gebrauchte den Ausdruck Legitimation in 
Anwendung auf den Prozeß noch in zwei anderen Bedeutungen. Zunächst versteht 
sie unter Legitimation zum Prozeß im Sinne von Rechtsstreit, Sachlegitimation, 
legitimatio ad causam, die nöthigenfalls durch Beweis zu erhärtende Behauptung, 
daß der gerichtlich geltend gemachte Anspruch der Partei, welche ihn verfolgt (sog. 
aktive Sachlegitimation), zusteht, und zwar auch gegen diejenige Partei, gegen welche 
er erhoben ist (passive Sachlegitimation). Sie hatte bei der Aufstellung dieser Be- 
griffe die Fälle im Auge, in welchen ein der einen oder anderen Partei ursprünglich 
fremdes Rechtsverhältniß (z. B. eine ererbte oder cedirte Forderung, eine ererbte 
oder übernommene Verbindlichkeit) oder eine auf einem dinglichen Verhältniß be- 
ruhende Berechtigung oder Verpflichtung (z. B. Eigenthum am Grundstück bei einer 
Servituten= oder Reallastklage) oder eine persönliche QOualität (Verwandtschaft bei 
der Erbschaftsklage, Gemeindebürgerrecht bei einem Anspruch auf Gemeindenutzungen) 
als Voraussetzung des Rechts, bzw. der Verbindlichkeit in Frage kommt. Während 
die frühere Prozeßdoktrin die Sachlegitimation als einen Punkt, welcher vor der 
Verhandlung über das streitige Recht selbst zur Berichtigung gebracht werden mußte, 
behandelt hat, war diese Auffassung aber schon in neuerer Zeit ausgegeben, und 
das mit Recht. Der Nachweis der Aktiv= bzw. Passivlegitimation ist nicht Vor- 
bedingung für das Auftreten als Kläger und Beklagter im Prozeß, vielmehr nur 
für das Gewinnen desselben. Die Anführung bzw. der Beweis der den Legitimations- 
punkt betreffenden Thatsachen gehört mit zur Substantiirung bzw. zum Beweise der 
Klagethatsachen. Demgemäß ist auch die sog. erceptio deficientis legitimationis 
nichts anderes als eine verneinende Einlassung auf die Klage, keine Einrede im 
eigentlichen Sinne. Die Deutsche CPO. enthält keine besonderen, hierher ge- 
hörigen Vorschriften, weil sie jene Theorie für überwunden und keiner speziellen Er- 
wähnung mehr für werth gehalten hat. Allerdings ist es bei dem neuen Verfahren 
möglich, daß mit Rücksicht auf §§ 137, 275 das Gericht in den passenden Fällen 
abgesonderte Verhandlung über die streitige Sachlegitimation anordnen und darüber 
durch Zwischenurtheil erkennen kann, weil sich dieselbe unter Umständen als ein 
isolirungsfähiges Element des Rechtsstreites darstellt. 
Endlich gebrauchte die gemeinrechtliche Prozeßdoktrin den Ausdruck Legitimation 
noch in der Bedeutung von legitimatio ad praxim, d. h. für den Nachweis des 
im Prozeß austretenden Advokaten oder Anwaltes, daß er zur Ausübung der 
advokatorischen oder Anwaltspraxis befugt sei. Diese Berechtigung tritt nach § 20 
der Deutschen Rechtsanwaltsordn. vom 1. Juli 1878 mit der Eintragung in 
die bei jedem Gerichte zu führende Liste der zugelassenen Rechtsanwälte ein, und 
giebt das Recht, bei allen Gerichten des Deutschen Reichs Vertheidigungen zu führen, 
als Beistand aufzutreten und, soweit nicht Anwaltszwang besteht, auch die Ver- 
tretung von Parteien zu übernehmen. 
Lit.: Bethmann-Hollweg, Versuche über einzelne Theile des Civ. Prz., S. 78 ff. — 
Planck, Diss. de legitimatione ad causam, Götting. 1837. — Linde, Ztschr. für Civil= 
recht und Prozeß, III. 297 ff. — Krüger, Archiv für civ. Praxis t 
. Iin ilus. 
Prozeßleitung (Civilprozeß, v. Bar, Th. I. Suppl. S. 6 ff.) bedeutet die 
auf Ordnung und Fortgang des Verfahrens und seiner Handlungen und Verhand- 
lungen bestimmend einwirkende richterliche Thätigkeit oder, wie Grolmann difinirt, 
„die Summe der während des Laufes der Verhandlungen dem Richter obliegenden 
Pflichten, vermöge welcher er dafür zu sorgen hat, daß der Rechtsstreit in der zweck- 
gemäßen und gesetzlichen Ordnung betrieben, und alles, was zu Verwirrungen, Ver-
	        
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