Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Prüfungsrecht. 225 
Der gesetzliche Umfang der P. kann mit Wirkung gegen Dritte, insbesondere 
den Prozeßgegner nicht eingeschränkt werden, außer hinsichtlich der Befugniß zum 
Vergleich, zum Verzicht und zur Anerkennung. Bei einer Mehrheit von Bevoll- 
mächtigten hat jeder Einzelne das volle Vertretungsrecht; eine entgegengesetzte Be— 
stimmung ist wirkungslos. Die Handlungen des Bevollmächtigten gelten als Hand- 
lungen der Partei; doch kann die miterschienene Partei Geständnisse und sonstige 
thatsächliche Erklärungen des Bevollmächtigen sofort widerrufen oder berichtigen. 
Die Befugnisse des Prozeßbevollmächtigten werden durch den Tod des Vollmacht- 
gebers, durch eine Veränderung seiner Prozeßfähigkeit oder seiner gesetzlichen Ver- 
tretung nicht aufgehoben, vorbehaltlich der Bestimmungen über die Aussetzung des 
Verfahrens (§§ 217 ff. der CPO.). Wenn der Bevollmächtigte nach der Aussetzung 
für einen Rechtsnachfolger auftritt, so bedarf er der Vollmacht des Letzteren. Auch 
die Kündigung der Vollmacht hebt die Befugnisse des Bevollmächtigten gegenüber 
dem Prozeßgegner nicht vor deren Anzeige an den Letzteren und im Anwaltsprozeß 
nicht eher auf, als ein anderer Anwalt von seiner Bestellung als Prozeßbevoll- 
mächtigter dem Gegner Anzeige gemacht hat (CPO. 8§8§ 78—83); wo es eines Nach- 
weises der Bevollmächtigung bedarf, muß derselbe durch Vorlage einer Vollmachts- 
urkunde und Uebergabe derselben zu den Gerichtsakten erfolgen. 
Der Prozeßgegner kann verlangen, daß die private Vollmachtsurkunde ge- 
richtlich oder notariell beglaubigt werde. Als genügende schriftliche Vollmacht ist 
es zu erachten, wenn die anwesende Partei die Bevollmächtigung zum Sitzungs- 
protokolle erklärt (Motive zu §§ 74— 81 des Entw. der CPO.). Beim Be- 
glaubigungsakt bedarf es weder der Zuziehung von Zeugen noch der Aufnahme eines 
Protokolls. Oeffentliche Behörden oder Korporationen, welche für sich oder als 
Vertreter des Staates 2c. einen Rechtsstreit zu führen haben, können die Bevoll- 
mächtigung unter eigener Autorität öffentlich beurkunden (vgl. Komm.-Protokolle 
S. 659, 660). 
Eines Nachweises der Vollmacht bedarf es unter folgenden Voraussetzungen: 
a) So oft der Gegner den Mangel der Vollmacht rügt. b) Wo eine Vertretung 
durch Anwälte nicht geboten ist. Im zweiten Falle muß nämlich das Gericht 
den Mangel der Vollmacht von Amtswegen berücksichtigen. 
Tritt in der mündlichen Verhandlung Jemand ohne Vollmacht für eine Partei 
auf, so kann ihn das Gericht entweder gegen oder ohne Kaution zur Prozeßführung 
einstweilen zulassen, darf jedoch das Endurtheil erst erlassen, nachdem eine für Bei- 
bringung der Genehmigung, d. h. einer schriftlichen Vollmacht, zu bestimmende Frist 
abgelaufen ist. Erfolgt die Genehmigung nicht, so gilt die Partei als nicht erschienen, 
muß aber die bisherige Prozeßführung gegen sich jedenfalls insoweit gelten lassen, 
als sie mündliche Vollmacht ertheilt oder die Prozeßführung auch nur stillschweigend 
genehmigt hat. Hellmann. 
  
Prüfungsrecht (richterliches). Es kann vom Standpunkte einer juristischen 
Betrachtungsweise keinem Zweifel unterliegen, daß alle rechtanwendenden Behörden 
verpflichtet sind, in jedem einzelnen Falle die Prüfung anzustellen, ob eine anwend- 
bare Rechtsnorm vorhanden sei oder nicht; für die Subsumtion konkreter Verhältnisse 
unter abstrakte Normen ist die Existenz solcher abstrakter Normen die oberste Voraus- 
setzung. Die von der jedesmaligen Staatsform bedingte Weise der Gesetzgebung ist 
dabei ganz gleichgültig. Es gilt das ebenso von Rechtssätzen, die im Wege des 
Gewohnheitsrechts, als von solchen, die im Wege der Gesetzgebung entstanden sind. 
Es ist ferner gleichgültig, ob solche Rechtssätze dem Privatrecht oder dem Strafrecht, 
dem Prozeß-, Staats= oder Kirchenrecht angehören. Die Prüfung hat sich auch keines- 
wegs auf die Rechtsgültigkeit der Form zu beschränken, sondern ist in gleicher Weise 
auf die Rechtsgültigkeit des Inhalts zu erstrecken, muß also auf die Form und den 
Inhalt der Ausführungsverordnungen, auf die Form und den Inhalt der provisorischen 
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 15
	        
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