Prüfungsrecht. 225
Der gesetzliche Umfang der P. kann mit Wirkung gegen Dritte, insbesondere
den Prozeßgegner nicht eingeschränkt werden, außer hinsichtlich der Befugniß zum
Vergleich, zum Verzicht und zur Anerkennung. Bei einer Mehrheit von Bevoll-
mächtigten hat jeder Einzelne das volle Vertretungsrecht; eine entgegengesetzte Be—
stimmung ist wirkungslos. Die Handlungen des Bevollmächtigten gelten als Hand-
lungen der Partei; doch kann die miterschienene Partei Geständnisse und sonstige
thatsächliche Erklärungen des Bevollmächtigen sofort widerrufen oder berichtigen.
Die Befugnisse des Prozeßbevollmächtigten werden durch den Tod des Vollmacht-
gebers, durch eine Veränderung seiner Prozeßfähigkeit oder seiner gesetzlichen Ver-
tretung nicht aufgehoben, vorbehaltlich der Bestimmungen über die Aussetzung des
Verfahrens (§§ 217 ff. der CPO.). Wenn der Bevollmächtigte nach der Aussetzung
für einen Rechtsnachfolger auftritt, so bedarf er der Vollmacht des Letzteren. Auch
die Kündigung der Vollmacht hebt die Befugnisse des Bevollmächtigten gegenüber
dem Prozeßgegner nicht vor deren Anzeige an den Letzteren und im Anwaltsprozeß
nicht eher auf, als ein anderer Anwalt von seiner Bestellung als Prozeßbevoll-
mächtigter dem Gegner Anzeige gemacht hat (CPO. 8§8§ 78—83); wo es eines Nach-
weises der Bevollmächtigung bedarf, muß derselbe durch Vorlage einer Vollmachts-
urkunde und Uebergabe derselben zu den Gerichtsakten erfolgen.
Der Prozeßgegner kann verlangen, daß die private Vollmachtsurkunde ge-
richtlich oder notariell beglaubigt werde. Als genügende schriftliche Vollmacht ist
es zu erachten, wenn die anwesende Partei die Bevollmächtigung zum Sitzungs-
protokolle erklärt (Motive zu §§ 74— 81 des Entw. der CPO.). Beim Be-
glaubigungsakt bedarf es weder der Zuziehung von Zeugen noch der Aufnahme eines
Protokolls. Oeffentliche Behörden oder Korporationen, welche für sich oder als
Vertreter des Staates 2c. einen Rechtsstreit zu führen haben, können die Bevoll-
mächtigung unter eigener Autorität öffentlich beurkunden (vgl. Komm.-Protokolle
S. 659, 660).
Eines Nachweises der Vollmacht bedarf es unter folgenden Voraussetzungen:
a) So oft der Gegner den Mangel der Vollmacht rügt. b) Wo eine Vertretung
durch Anwälte nicht geboten ist. Im zweiten Falle muß nämlich das Gericht
den Mangel der Vollmacht von Amtswegen berücksichtigen.
Tritt in der mündlichen Verhandlung Jemand ohne Vollmacht für eine Partei
auf, so kann ihn das Gericht entweder gegen oder ohne Kaution zur Prozeßführung
einstweilen zulassen, darf jedoch das Endurtheil erst erlassen, nachdem eine für Bei-
bringung der Genehmigung, d. h. einer schriftlichen Vollmacht, zu bestimmende Frist
abgelaufen ist. Erfolgt die Genehmigung nicht, so gilt die Partei als nicht erschienen,
muß aber die bisherige Prozeßführung gegen sich jedenfalls insoweit gelten lassen,
als sie mündliche Vollmacht ertheilt oder die Prozeßführung auch nur stillschweigend
genehmigt hat. Hellmann.
Prüfungsrecht (richterliches). Es kann vom Standpunkte einer juristischen
Betrachtungsweise keinem Zweifel unterliegen, daß alle rechtanwendenden Behörden
verpflichtet sind, in jedem einzelnen Falle die Prüfung anzustellen, ob eine anwend-
bare Rechtsnorm vorhanden sei oder nicht; für die Subsumtion konkreter Verhältnisse
unter abstrakte Normen ist die Existenz solcher abstrakter Normen die oberste Voraus-
setzung. Die von der jedesmaligen Staatsform bedingte Weise der Gesetzgebung ist
dabei ganz gleichgültig. Es gilt das ebenso von Rechtssätzen, die im Wege des
Gewohnheitsrechts, als von solchen, die im Wege der Gesetzgebung entstanden sind.
Es ist ferner gleichgültig, ob solche Rechtssätze dem Privatrecht oder dem Strafrecht,
dem Prozeß-, Staats= oder Kirchenrecht angehören. Die Prüfung hat sich auch keines-
wegs auf die Rechtsgültigkeit der Form zu beschränken, sondern ist in gleicher Weise
auf die Rechtsgültigkeit des Inhalts zu erstrecken, muß also auf die Form und den
Inhalt der Ausführungsverordnungen, auf die Form und den Inhalt der provisorischen
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 15