Parteivortrüge — Partialerneuerung. 17
so hat die P., welche die fernere Verhandlung vor dem Amtsgericht ablehnen will,
einen Antrag auf Unzuständigkeitserklärung und auf Verweisung der Sache an das
Landgericht zu stellen, ehe sie zur Hauptsache weiter mündlich verhandelt. Mit der
Rechtskraft des die Inkompetenz aussprechenden Urtheils tritt dann ebenfalls die
schon hervorgehobene Folge ein, und es werden in diesem Falle die bisher durch
das amtsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten als Theil der beim Landgericht
erwachsenen Kosten behandelt. — Die Verweisung von Rechnungs-, Auseinander-
setzungs= und ähnlichen Sachen, welche im amtsgerichtlichen Prozesse verhandelt
werden, zu einem besonderen vorbereitenden Verfahren, ist ausgeschlossen. Abgesehen
von Geständnissen und Erklärungen über die Annahme oder Zurückschiebung von Eiden,
welche auf Antrag stets zu Protokoll zu nehmen sind, findet eine Feststellung von
Anträgen und Erklärungen zum Sitzungsprotokoll nur insoweit statt, als es vom
Gericht am Schluß der mündlichen Verhandlung, auf welche ein Urtheil oder Beweis-
beschluß ergeht, für angemessen erachtet wird.
Gsgb.: Deutsche CP. 8S§ 74, 75, 456—470. P. Hinschius.
Parteivorträge, s. Hauptverhandlung.
Partialerneuerung (Th. I. S. 866). Bei der Einführung des Konstitutio-
nalismus in Deutschland wurde vielfach geglaubt, eine nach dem Ablaufe der jedes-
maligen Legislaturperiode eintretende Totalerneuerung des Landtags setze diesen der
Gefahr aus, aller geschäftskundigen, an parlamentarische Verhandlungen bereits ge-
wöhnten Mitglieder beraubt zu werden. Einzelne Deutsche Verfassungen setzten daher
eine Erledigung sämmtlicher durch Wahl erlangter Sitze oder doch aller Sitze der
zweiten Kammer nur für den Fall einer Auflösung des Landtags fest, führten aber
statt der Totalerneuerung des Landtags nach Beendigung einer vollständigen Legis--
laturperiode eine in bestimmten Fristen wiederkehrende P. entweder für den ganzen
Landtag oder nur für die zweite Kammer oder endlich für alle gewählten Mitglieder
der ersten und zweiten Kammer ein (Sachsen, Baden, Hessen, Braunschweig,
Reuß ä. L.).
Die P. wird durch die bei Beginn oder Schluß des ersten ordentlichen Land—
tags innerhalb der einzelnen Gruppen der Landtagsmitglieder vorgenommene Aus-
loosung vorbereitet. Diese erfolgt in Sachsen in der Weise, daß derjenige Theil der
Landstände, welcher die niedrigsten Nummern gezogen hat, nach dem ersten, der mit
den nächst höheren Nummern ausgelooste Theil nach dem zweiten und der Rest nach
dem dritten ordentlichen Landtage auszuscheiden hat. Die Zahl der Auszuloosenden
und demnach auch der neu zu Wählenden ist für jede Gruppe der Landstände in
der Verfassung festgesetzt: in Sachsen beträgt die Gesammtzahl der auf einmal Aus-
tretenden etwa ein Drittel aller Mitglieder der zweiten Kammer, in Baden die
Hälfte der Abgeordneten zur zweiten und der grundherrlichen Abgeordneten zur ersten
Kammer. Ebenso tritt in Braunschweig vor dem Beginne eines jeden ordentlichen
Landtages die Hälfte der Abgeordneten aus. Die ausgetretenen Mitglieder können
überall sofort wieder gewählt werden.
Die meisten Deutschen Verfassungen haben die P. für die Landstände nicht an-
genommen, und gewiß mit Recht: einmal ist sie gegenwärtig nirgends nothwendig,
um der Kammer, bzw. dem Landtage einen Grundstock parlamentarisch geschulter
und geschäftskundiger Männer zu erhalten, da die Erfahrung lehrt, daß die Total-
erneuerung regelmäßig einer größeren Anzahl der bisherigen Abgeordneten die früheren
Sitze wiedergiebt. Dann aber kann gerade die Ausloosung eines Theiles der Stände-
mitglieder die Bedeutendsten unter ihnen ihrer Sitze berauben und so das Gegentheil
des von der ganzen Einrichtung erstrebten Zweckes bewirken, und endlich würden bei
jährlichen Sessionen die durch die P. nothwendig gewordenen Wahlen in allzu kurzen
Pausen sich folgen, entweder die Wähler ermatten oder die Wahlagitationen per-
manent machen. Nur da, wo die Zusammenberufung der ordentlichen Landtage in
v. Holtzendorff, Enoc. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 2