Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Publiclana aotio. 235 
ein blos historisches Interesse hat, ist die zweite seit dem Wegfall der Klagformel 
und der durch diese gegebenen Norm für die Voraussetzungen der Klage doppelt 
wichtig. Manche leiten nun die Klage, gemäß der in jener Formel ausgesprochenen 
Bezugnahme auf die Usukapion, aus dem „werdenden Eigenthum“ (Huschke, S. 19) 
oder „der Selbstgewähr“ (Schirmer, S. 348) des Usukapienten ab; diese müssen 
folgerecht an dem Klagerforderniß des Usukapionsbesitzes festhalten (I. 7 § 17; 1. 9 
§ 5 D. h. t.; vgl. Schulin, S. 529). Andere erklären dies Erforderniß für 
eine „blos formulare Konsequenz“, sehen als Grundlage der Klage vielmehr die 
bonae fidei possessio an, und behaupten, daß es schon bei den Römern eine Publi- 
zianische Klagformel gegeben habe, welche direkt auf bonae fidei possessio intendirte 
und von der Fiktion der vollendeten Usukapion absah (arg. 1. 12 § 2 D. h. t.; 
Brinz, Anm. 19; vgl. auch Bruns, Th. I. S. 393). Endlich wieder andere 
gründen die P. auf „redlichen Erwerb“ oder „putatives Eigenthum“ mit der Kon- 
sequenz, daß durch solche Erwerbsgründe, welche zum Uebergang des Eigenthums 
Besitz nicht erfordern, dementsprechend für den gutgläubigen Rechtsnachfolger eines 
Nichteigenthümers auch die P. ohne Besitz begründet werde. So wirklich Wind- 
scheid, Lehrb., § 199, Nr. 2 und unfolgerichtig Huschke, S. 50, ja sogar 
Brinz, Anm. 28, weil er bonae fidei possessio nicht als eine Art des „gemeinen 
Besitzes“, sondern als ein Besitzrecht, ein Mittelding zwischen Besitz und Eigenthum 
auffaßt. Die letzte dieser drei Meinungen führt zu höchst anomalen Folgesätzen. 
(vgl. v. Vangerow, § 333, Anm. II. 1 a). Als richtig erscheint die erste mit der 
Maßgabe, daß dem Beginn der civilen Usukapion auch derjenige einer anderen 
(prätorischen) Ersitzung gleichstand (I. 11 § 1; 1. 12 § 2 D. h. t.), daß ferner, 
seitdem Justinian an die bonae fidei possessio eine außerordentliche Ersitzung ge- 
knüpft hat, auch der Beginn der letzteren zur P. genügt (z. B. bei res furtivae, 
trotz 1. 9 § 5 D. b. t.), und daß endlich die mala fides superveniens, welche das 
Kan. Recht zum Hinderniß der Ersitzung erhoben hat, eben nur diese letztere, nicht 
aber auch das einmal erworbene Recht der P. ausschließt. So mit Recht Brinz, 
Anm. 50, 51; dawider freilich Windscheid, Anm. 8. Bei dieser Maßgabe ist 
die erste der drei Theorien von der zweiten nicht erheblich verschieden, zumal auch 
die Vertreter dieser letzteren die bonae fidei possessio an Sachen, die einem Ver- 
äußerungsverbot unterliegen, zur P. nicht für ausreichend erachten (Brinz, Anm. 22). 
Die Frage, ob auch ein Putativtitel bei der Begründung der P. ausreiche, war 
unter den klassischen Juristen streitig (I. 2 § 16 D. pro emt. 41, 4 und 1. 7 §. 2 
D. h. t.). Heutzutage wird wegen der Statthaftigkeit der Ersitzung in einem solchen 
Falle auch die P. allgemein zugelassen (Huschke, S. 56; Brinz, Anm. 39). — 
Ueber die Passivlegitimation, den Gegenstand und das Ziel der Klage gelten hier 
dieselben Regeln, wie bei der direkten Vindikation (s. diesen Art.). Auch die 
Einreden, welche gegenüber der letzteren Platz greifen, finden hier ebenfalls An- 
wendung; außerdem aber auch 1) exceptio iusti dominü (si non en res Ni Ni sit), — 
vgl. 1. ult. D. h. t. — von der man wegen 1. 57 D. mand. 17, 1 meist an- 
nimmt, daß sie nur causa cognita ertheilt worden sei, jedoch mit Unrecht (Brinz, 
Anm. 56—61); und 2) die erxceptio aus eigener bonae fidei possessio des Beklagten 
(Ei non Ns Ns quoque emit et ei traditum est). Gegen die letztere hat der Kläger 
unter der Voraussetzung, daß er früher als der Beklagte und von demselben Auktor 
erwarb, die replicatio rei venditae ac traditae (1. 9 § 4 D. h. t.). Wenn I. 31 
5 2 D. d. a. e. v. 19, 1 diese Entscheidung auch beim Erwerb von verschiedenen 
Vormännern treffen will, so muß sie zurückstehen, und hier vielmehr das Prinzip, 
daß in pari causa potior est qui possidet durchgreifen. Einen neuen Versuch zur 
Vereinigung beider Stellen macht Eisele, Jahrb. f. Dogm. XIV. S. 1 ff. Un- 
gerechtfertigt ist die Behauptung, daß die P. jedem gewesenen Usukapionsbesitzer 
dauernd, also auch bei freiwilliger Besitzentäußerung zugestanden habe. So Schulin, 
Ueber einige Anwendungsfälle der P., Marb. 1873. Vgl. dawider Brinz, Krit.
	        
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