Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

262 Raufhandel. 
Raufhandel. Wäre es möglich, in jedem Falle der Tödtung oder Körper= 
verletzung durch den strafprozessnalischen Beweis es festzustellen, wer der Thäter, 
Gehülfe rc. gewesen, so würden die den R. betreffenden Bestimmungen überhaupt 
nicht existiren. Thatsächlich liegen aber die Verhältnisse häufig so, daß zwar fest- 
gestellt werden kann, es sei Jemand in verbrecherischer Weise getödtet oder verletzt, 
daß auch festgestellt werden kann, es seien bei dieser Tödtung oder Verletzung diese 
bestimmten Personen in irgend einer Weise betheiligt gewesen; aber was nun der 
Einzelne dieser Mehreren gethan, darüber läßt sich dann häufig entweder gar Nichts 
oder doch nur Ungenügendes feststellen. Derartige Verhältnisse treten ein bei 
Schlägereien, Raufhändeln, sowie, wenn von Mehreren ein Angriff gegen einen 
Menschen gemacht wurde. Die auf Fälle dieser Art bezüglichen Strafbestimmungen 
finden sich schon vor der CCC namentlich in Deutschen Stadtrechten; dann in der 
CCC selbst Art. 148, welche gesetzliche Bestimmung zu vielfachen Kontroversen im 
Gem. Recht und so mittelbar zu vielfachen Verschiedenheiten in den dem Deutschen 
Straf GB. voraufgehenden Strafgesetzbüchern geführt hat. Namentlich waren es zwei 
Punkte, in denen die Partikulargesetze auseinandergingen: 1) Die Strafbestimmungen 
über den R., welche in allen Gesetzgebungen den Fall betrafen, daß Jemand im R. 
getödtet wurde, unterschieden sich in Betreff der im R. zugefügten Körperverletzungen 
dadurch von einander, daß einige Gesetzgebungen alle im R. zugefügten Körper- 
verletzungen berücksichtigten (Hessen, Art. 274), während andere nur die schweren 
(Sachsen, Art. 173), noch andere (Preußen, § 195) die schweren und erheb- 
lichen Körperverletzungen ins Auge faßten. Die mannigfachen Unterscheidungen 
der Strafgesetzbücher bei der Eintheilung der Körperverletzungen wirkten hier natürlich 
nach. 2) Ein bestimmter Erfolg, z. B. der eingetretene Tod, zeigt sich als das 
Ergebniß nicht einer einzelnen, sondern mehrerer von verschiedenen Thätern begangenen 
Verletzungen, wobei es durch Beweis festgestellt ist, von wem jede einzelne der 
fraglichen Verletzungen herrühre. Die meisten Gesetze bestimmten in diesem Falle 
eine den Gesammterfolg mit umfassende Strafe, so auch Preußen (§ 195 Abf. 2), 
während andere (z. B. Braunschweig, § 153) nur für diejenige Verletzung die 
Strafe eintreten ließen, welche dem einzelnen Thäter nachgewiesen wurde, ohne daß 
das eingetretene Gesammtresultat Berücksichtigung fand. Darin aber stimmten die 
Partikularstrafgesetzbücher überein, daß sie in bald weiterem, bald geringerem Um- 
fange das einer gewissen Strafe entsprechende Quantum von Schuld als vorhanden 
präsumirten, wenn dasjenige, was der Angeschuldigte wirklich gethan, mit Voll- 
ständigkeit nicht erwiesen werden konnte. Mindestens wurde zu diesem Zwecke die 
Strafbestimmung aufgestellt, daß derjenige, welcher sich bei einer Schlägerei be- 
theiligte, welche den Tod oder die Körperverletzung eines Anderen zur Folge hatte, 
bestraft werden solle (Gefängnißstrafe von verschiedener Dauer, Preußen, § 195 
drei Monate bis fünf Jahre), auch wenn nichts weiter als seine Betheiligung bei 
der Schlägerei erwiesen wäre. Nur der Nachweis, daß Jemand ohne sein Ver- 
schulden in die Schlägerei verwickelt worden, konnte von dieser Strafe befreien. Und 
auch darin stimmten die Gesetzgebungen überein, daß die den R. betreffenden Be- 
stimmungen nur aushülfsweise und zwar dann eintreten sollten, wenn die That des 
einzelnen bei dem R. Betheiligten nicht mit juristischer Bestimmtheit herausgestellt 
werden konnte. Das Deutsche Straf GB. (§§ 227, 228) hat, wenn auch unter 
Vermeidung des Ausdruckes „R.“, die den Partikulargesetzgebungen gemeinsamen 
Grundsätze im Allgemeinen anerkannt. Im Einzelnen ist zu bemerken: 1) Falls 
die Strafbestimmungen des § 227 in Anwendung kommen sollen, muß als objek- 
tiver Befund der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (Straf G . 
§ 224) vorliegen. Auf diesen Erfolg bleiben die subsidiären Bestimmungen des 
§ 227 beschränkt; bei Körperverletzungen, welche unter § 224 nicht fallen, kann eine 
Strafe „wegen Betheiligung an der Schlägerei oder an dem von Mehreren ge- 
machten Angriffe“ nicht eintreten, sondern nur eine solche wegen Thäterschaft oder
	        
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