312 Redaltionsversehen — Redefreiheit.
III. Die erhöhte Verantwortlichkeit, welche das Gesetz an die Person des ver-
antwortlichen R. knüpft, veranlaßt dieselbe, die Fähigkeit zur Uebernahme der ver-
antwortlichen Redaktion einer periodischen Druckschrift von dem Vorliegen gewisser
persönlicher Eigenschaften abhängig zu machen, Eigenschaften, welche einerseits eine
dem Gesetze entsprechende Haltung des Blattes verbürgen, andererseits dem straf-
gerichtlichen Einschreiten Erfolg sichern sollen. Das MPreßges. verlangt (§ 8):
1) Verfügungsfähigkeit; 2) Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte; 3) Wohnsitz oder
gewöhnlichen Aufenthalt im Deutschen Reiche. — Theilweise strenger das Oesterr.
Recht, welches von dem verantwortlichen R. verlangt, daß er Oesterr. Staatsbürger
sei und an dem Orte seinen Wohnsitz habe, an welchem die periodische Druckschrift
erscheint. — Die Bestellung eines gesetzlich Unfähigen zum verantwortlichen R. und
seine Nennung auf der Duuckschrift ist (RPreßges. § 19) mit Geldstrafe bis zu
150 Mark oder mit Haft bedroht. Die Strafe trifft alle diejenigen, welchen ein
Verschulden nachgewiesen werden kann. Dagegen wird nach Oesterr. Recht (Preßges.
§ 11) die Namhaftmachung eines gesetzlich Unfähigen als verantwortlichen R. in
der vor Herausgabe der periodischen Druckschrift an die Behörden zu machenden
Anzeige (s. d. Art. Herausgeber) mit einer Geldstrafe von 50—500 Gulden
und außerdem mit Arrest von einer Woche bis zu einem Monat belegt.
Lit.: S. hinter dem Art. Preßgesetzgebung. — B9gl. auch die Art. Herausgeber,
Preßgewerbe, Preßpolizei, Preßstrafrecht. v. Liszt.
Redaktionsversehen. Unter R. eines Gesetzes versteht man im Allgemeinen
jede mangelhafte Ausdrucksweise eines gesetzgeberischen Gedankens. Dasselbe ist zu
trennen einerseits von denjenigen Fällen, in welchen der Gedanke des Gesetzgebers
zwar korrekt ausgedrückt, aber inhaltlich verfehlt ist (Denkfehler), sowie andererseits
von denen, in welchen der korrekte Ausdruck, den der Gesetzgeber wählte, bei
der Publikation des Textes unrichtig wiedergegeben wird (Druckfehler). Während
die Beseitigung von Druckfehlern ebenso unbedingt gestattet, wie die Berichtigung
von Denkfehlern versagt ist, muß bezüglich der Stellung des Richters gegenüber den
R. folgendermaßen unterschieden werden. In der Regel wird der vom Gesetzgeber
gebrauchte, mangelhafte Ausdruck zu eng oder zu weit sein, den Gedanken also nur
unvollkommen wiedergeben. Hier ist auf dem Wege der extensiven oder restriktiven
Auslegung Abhülfe zu schaffen. Dagegen giebt es andere, freilich selten vorkommende
Fälle, in denen sich Gedanke und Ausdruck durchaus widersprechen. Ihnen gegen-
über ist die Auslegung offenbar machtlos, und es bleibt nur die Alternative, ent-
weder den publizirten Wortlaut trotz seines nachweisbaren Widerspruches mit dem
gesetzgeberischen Gedanken zur Anwendung zu bringen, oder den Gesetzestext dem
Gedanken des Gesetzgebers entsprechend abzuändern. Nur wenige Schriftsteller ent-
scheiden sich für eine solche Texteskorrektur und auch unter diesen bestehen noch
mannigfache Meinungsverschiedenheiten.
Lit.: Schütze in Goltdammer's Archiv 1872 S. 350—373. — Sontag, Die R.
de Gesetzgebers, Freib. 1874. — Merkel in v. Holtzendorff's Handbuch des Strafrechts
S. 76—81. — v. Wächter, Ptraseechtlice Fragen III. (Akadem. Programy), geipe. 1877
(auch im Gerichtssaal 1877 S. 321—33 Sontag.
Redefreiheit. Die N. der Mitglieder gesetzgebender Versammlungen, d. h. die
Nichtverfolgbarkeit derselben vor den ordentlichen Gerichten des Landes wegen ihrer
Abstimmungen und wegen ihrer in den gesetzgebenden Versammlungen gehaltenen
Reden, jetzt für das Deutsche Reich durch Art. 30 der Verfassung für das Deutsche
Reich und § 11 des Deutschen Straf# B. unbedingt und ausnahmslos an-
erkannt, existirte zur Zeit des früheren Reichsstaatsrechtes nicht; wurde auch von
den älteren Publizisten gar nicht gefordert. Johann Jakob Moser verlangt —
gegenüber den gewaltthätigen Eingriffen, welche einzelne Landesherren, befonders
von Mecklenburg und von Württemberg, gegen die Mitglieder der Stände-
versammlungen sich erlaubt hatten — nur den Schutz der ordentlichen Gerichte, wie