Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Regalien. 319 
weil man allgemein die R. als Einnahmequellen für den Staat auffaßte. Davon 
aber abgesehen, findet man auch bei ihnen die verschiedensten Begriffsbestimmungen. 
Rau z. B. versteht darunter „Vorrechte der Staatsgewalt in Beziehung auf ein 
Gewerbe, welches ohne eine besondere gesetzliche Bestimmung zu den bürgerlichen 
Nahrungszweigen gehören würde“, und bezeichnet als Gegenstände der R. Erd arbeiten 
(Bergbau, Förderung des Steinsalzes und der Salzsoole, Sammeln von Salpeter— 
erde, Goldwäscherei, Jagd, Fischereih, Handwerksarbeiten (Salzsieden, Münz- 
prägung, Tabaksbereitung rc.), Handelsgeschäfte (Salzhandel), Dien stgeschäfte 
(Post, Telegraph, Eisenbahn, Lotterie), so daß also Berechtigungen der verschiedensten 
Art demselben Begriffe unterstellt werden (Grundsätze der Finanzwissenschaft, 1. Abth. 
§§ 85 und 166, 5. Aufl.). Max Wirth definirt: „Das R.= oder Hoheitsrecht 
ist diejenige Befugniß des Landesherrn, resp. des Staates, welche er aus seiner 
Eigenschaft als Obereigenthümer schöpft“, und führt als R., die noch heute existirten, 
folgende auf: Bergwerk-, Salz-, Salpeter-, Münz-, Papiergeld-, Post-, Eisenbahn-, 
Telegraphen-, Tabak-, Kalender-, Spielkarten-, Fähr-, Floß= und Schiffahrts-, sowie 
endlich das Lotterie-R. (Grundzüge der Nationalökonomie, II. S. 350, 2. Aufl.). 
Schäffle bezeichnet die R. oder nutzbaren Hoheitsrechte als „Gewerbszweige, welche 
die Regierung vermöge eines die Konkurrenz der Bürger ausschließenden Vorrechts 
betreibt“ und konstatirt ein solches Vorrecht hinsichtlich des Betriebes von Bergbau, 
Salzerzeugung, Münze, Tabak, Lotterie, Post, Eisenbahn, Telegraphen (National- 
ökonomie, § 277 S. 533, 2. Aufl.). Ad. Wagner (Finanzwissenschaft, 2. Aufl. 
1877) unterscheidet privatwirthschaftliche und staatswirthschaftliche Einnahmen des 
Staates und unter letzteren wieder Steuern und Gebühren: beide können in der 
Rechtsform der R. vorkommen; die Einnahmen aus regalisirter gebührenpflichtiger 
Staatsthätigkeit (Post-, Münz-, Telegraphenwesen) seien Gebühren; dagegen müßten 
die sog. Finanz R. (gewerbliche, grundherrschaftliche und solche, die sich auf gewisse 
Benutzung der öffentlichen Gewässer beziehen) entschieden als Steuern betrachtet 
werden. Andere wieder anders. 
In erheblich ungünstigerer Lage befinden sich die Juristen. Zunächst liegt die 
Frage: sind die R. staatsrechtlicher oder privatrechtlicher Natur? Für jene spricht 
der historische Urspruug der R., der staatswirthschaftliche Zweck derselben und der 
Umstand, daß eben der Staat das Subjekt der Berechtigung ist, — für den privat- 
rechtlichen Charakter dagegen der Inhalt und das Objekt der R.; sieht man letzteren 
Gesichtspunkt als den wichtigeren an, so muß man nicht nur die durch Verleihung 
eines Regals für den Beliehenen begründete Gerechtigkeit, sondern das Regal 
selbst in seiner Totalität als ein Privatrecht bezeichnen. (So neuerdings auch 
Stobbe, Handbuch, II. § 83 Note 6.) 
Sodann: läßt sich der Begriff der R. überhaupt juristisch konstruiren? Man 
hat es geleugnet: das Regal sei kein juristischer Begriff, es sei unverträglich mit 
der Herrschaft des Rechtsbewußtseins. Nun kann man ja zugeben, daß die Ent- 
stehung der R. nicht sowol auf die bewußte Anerkennung eines Rechtsprinzips, als 
vielmehr auf zufällige politische und wirthschaftliche Verhältnisse zurückzuführen ist. — 
man kann auch zugestehen, daß zwar nicht das Rechtsbewußtsein, aber, so zu sagen, 
die wirthschaftliche Erkenntniß der Fortdauer der R. widerstrebt; — indeß kann man 
doch nicht leugnen, daß die R., so lange sie überhaupt bestehen, als Rechts institute 
bestanden haben, als solche vom Rechtsbewußtsein, wenn auch oft widerstrebend, 
anerkannt waren und zur Zeit noch bestehen und noch anerkannt sind. Sie werden 
früher oder später ganz gewiß aus dem Privatrecht verschwinden, aber so lange sie 
nicht verschwunden sind, müssen sie auch als Rechtsinstitute behandelt und juristisch 
konstruirt werden. 
Für die Begriffsbestimmung ist nun anerkannt von der entschiedensten Bedeu- 
tung die Gegenüberstellung von Hoheitsrechten und R. Das Unterscheidende aber 
ist nicht nur der publizistische Charakter der sog. Hoheitsrechte — auch nicht nur der
	        
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