Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Reglement der Eisenbahnen. 331 
Das Recht, die Aushändigung des Gepäcks zu verlangen, und die Verpflichtung, 
das Gepäck auszuhändigen, beginnen mit der Ankunft desjenigen Zuges, zu welchem 
das Gepäck aufgegeben wurde, auf der Bestimmungsstation; mit diesem Zeitpunkt 
beginnt die etwaige Versäumniß der Lieferfrist, wenn auch dieser Zug verspätet 
angekommen ist, weil bei verspäteter Abfahrt oder Ankunft der Züge von 
Passagieren weder für ihre Person, noch für Reisegepäck Schadensersatz gefordert 
werden kann. 
Für den Verlust und Beschädigung von Reisegepäck, welches ordnungsmäßig zum 
Transport aufgegeben ist, haftet die Eisenbahn im Allgemeinen nach den Bestimmungen 
des Abschnittes III. für Güter, soweit solche auf die Beförderung vom Reisegepäck 
anwendbar sind und mit folgenden Modifikationen: a) In Ermangelung einer Werth- 
deklaration (Versicherung gegen ungenügende Entschädigungssumme durch Zahlung 
höherer Fracht, als Frachtzuschlag, Prämie) ist der wirkliche Schaden (damnum 
emergens) jedoch in maximo mit 12 Mark pro Kilogramm nach Abzug des Gewichts 
des unversicherten Inhalts bei bloßer Beschädigung eines Gepäcksstücks zu ersetzen. 
b) Im Fall einer Werthdeklaration, welche von der Aufgabestation im Gepäckschein 
eingeschrieben sein muß, ist der vom Gepäckaufgeber nachzuweisende gemeine Handels- 
werth bis zur Höhe der deklarirten Summe zu ersetzen. c) Die Eisenbahn ist von 
jeder Verantwortlichkeit und Rechenschaftsablegung für den Verlust (nicht Be- 
schädigung) von Reisegepäck frei, wenn es nicht binnen acht Tagen nach Ankunft 
des Zugs, zu welchem es aufgegeben ist, auf der Bestimmungsstation abgefordert 
wird. Diese Beschränkung der Haftpflicht verpflichtet den Gepäckinteressenten, eine 
Reklamation zeitig geltend zu machen, damit deroutirte Gepäckstücke verfolgt werden 
können. Die Abforderung des Gepäckes binnen acht Tagen bildet die Voraussetzung 
der Geltendmachung des Anspruchs auf Entschädigung, wenn das Gepäck verloren ist, 
nicht aber die Bedingung der Entstehung dieses Anspruchs. Die Abforderung unter- 
bricht den Lauf der achttägigen Frist. 
Ist das Gut nach Ablauf dieser Frist noch vorhanden, so ist der Anspruch auf 
Herausgabe auch nach der achttägigen Frist noch begründet. Die Berechnung der 
Lieferfrist beim Reifegepäck erfolgt nicht wie beim Güterverkehr nach Kalendertagen 
von Mitternacht zu Mitternacht, sondern die Lieferfrist endet mit der faktischen, wenn 
auch verspäteten Ankunft des Zuges, zu welchem das Gepäck aufsgegeben wurde; von 
diesem Moment ab wird der Tag zu 24 Stunden berechnet. Bis zum Ablauf von 
drei Tagen nach Ankunft des Zuges haftet die Bahn wegen Ueberschreitung der 
Lieferfrist. Nach Ablauf von dreimal 24 Stunden wird das Gepäck als verloren 
betrachtet, und die Eisenbahn ist nicht mehr rückgabeberechtigt, sondern nur rückgabe- 
pflichtig. Für Versäumniß der Lieferfrist wird Ersatz geleistet in der Höhe von 
0,20 Mark für jedes Kilogramm des ausgebliebenen Gepäcks und jeden angefangenen 
Pn e Versäumniß (in maximo drei Tage, da von da an Verlust angenommen 
wird). 
Im Falle einer Lieferungsfristinteresse-Deklaration, welche eine halbe Stunde 
vor Abgang des betreffenden Zugs erfolgen und im Gepäckschein von der Aufgabe- 
station vermerkt sein muß, wird derjenige Betrag ersetzt, welcher als Schaden inner- 
halb des deklarirten Betrags nachgewiesen werden kann. 
Beweist die Eisenbahn, daß sie die Verspätung durch Anwendung der Sorgfalt 
eines ordentlichen Frachtführers nicht habe abwenden können, so ist sie von der Haf- 
tung für den Schaden, welcher durch Versäumniß der Lieferfrist entstanden ist, frei, 
weil man annahm, daß es schwieriger sei, eine Verzögerung der Reise zu vermeiden, 
als Verlust oder Beschädigung. 
Der zollamtlichen Revision des Reisegepäcks haben die Reisenden stets persönlich 
anzuwohnen und alle Deroutirungen oder Verspätungen aus der Nichtbeachtung dieser 
Bestimmung selbst zu vertreten. 
  
 
	        
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