Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

340 Regredienterbin. 
b) Entschädigung bei Lieferfristüberschreitung (§§ 69 und 70). Die publizirten 
Lieferfristen (§ 57 des Bahnreglements) sind gewahrt, wenn innerhalb derselben das Gut 
dem Empfänger vor die Wohnung oder das Geschäftslokal zugeführt ist oder im Fall. 
der bedungenen Selbstabholung, wenn Avisirung innerhalb der Lieferfrist erfolgt ist. 
Für die Entschädigung im Fall einer Lieferfristüberschreitung gelten folgende 
Normen: 
1) Der Entschädigung Beanspruchende hat den Nachweis des durch die Ver- 
spätung ihm erwachsenen Schadens zu liefern. 
2) Ohne Nachweis erhält er nur theilweisen Frachtnachlaß (' oder ½). 
38) Ohne Interessedeklaration bildet die Hälfte, bzw. die ganze Fracht die 
Maximalentschädigung. 
4) Bei Interessedeklaration bildet die deklarirte Summe die Maximalgrenze 
der Entschädigung. 
Im Fall einer „böslichen Handlungsweise“" cesfiren wie bei a alle 
Haftpflichtbeschränkungen und bildet weder der Normalsatz, noch die Werth= oder 
Interessedeklaration eine Grenze für die Höhe der Entschädigung. 
Lit.: Eger, Deutsches Frachtrecht, 1879, Bd. I., II. — Ruckdeschel, Kommentar zum 
Betriebsreglement, 1880. — Wehrmann, Das Eisenbahntransportgeschäft, 1880. 
Ruckdeschel. 
Regredienterbin. (Th. I. S. 853.) Das Deutsche Erbrecht hatte schon 
im späteren Mittelalter die Töchter nicht mehr zu Gunsten der Söhne von der 
Erbfolge in Stammgüter ausgeschlossen, und vom 16. Jahrh. an war in Deutsch- 
land unter dem Einflusse des Römischen Rechts die Ansicht zur allgemeinen Herr- 
schaft gelangt, daß das Erbrecht wenigstens hinsichtlich aller Allodialgüter über- 
haupt einen Vorzug des Mannsstammes vor den Frauen nicht kenne. Da nun 
aber der Vorzug des Mannsstammes innerhalb der reichsständischen Häuser zur Er- 
haltung des Familienglanzes nöthig schien und deshalb überall da, wo er sich nicht 
herkömmlich behauptet hatte, wiederhergestellt werden sollte, so bediente man sich 
zum Zwecke der von dem Rechte nicht mehr geforderten Ausschließung der Frauen 
eines besonderen Rechtsgeschäftes: man veranlaßte nämlich die Töchter der 
Deutschen hochadligen und reichsritterschaftlichen Häuser, das ihnen zustehende Erbrecht 
durch ausdrückliche, meistens eidliche Erbverzichte entweder definitiv für sich und ihre 
ganze Descendenz zu beseitigen oder doch bis zum Erlöschen des Mannsstammes — 
bis auf den ledigen Anfall — zu suspendiren. Starb hierauf die männliche Linie 
aus, so war diejenige Frau, bzw. die Linie derjenigen Frau, welche bei der erst 
eingetretenen Konkurrenz mit einem männlichen Erben unter dem Vorbehalte des 
ledigen Anfalls auf ihr Erbrecht verzichtet hatte, successionsberechtigt: die R. 
Nachdem aber aus dem im 14. Jahrh. zuerst hervortretenden Bestreben, die 
Stellung der hochadligen Häuser durch das Zusammenhalten der in ihrem Besitze 
befindlichen Güter zu sichern, eine besondere durch Hausgesetze und Observanzen fest- 
gestellte Successionsordnung hervorgegangen war, welche meistens die Primogenitur 
und stets den Vorzug des Mannsstammes anerkannte, konnte auch den Erbverzichten 
der Frauen und den ihnen beigefügten Vorbehalten eine rechtliche Bedeutung regel- 
mäßig nicht mehr zugesprochen werden. Hausgesetze und Herkommen hatten die 
Ausschließung der Frauen zum objektiven Rechtssatze erhoben: das Recht, auf welches 
sie Verzicht leisteten, stand ihnen überhaupt nicht mehr zu; es war deshalb auch 
unmöglich, sich dasselbe für den Fall des Erlöschens des Mannsstammes vor- 
zubehalten. Vielmehr wurde der Verzicht der hochadligen Töchter, seitdem diese 
rechtlich gezwungen waren, ihn zu leisten, ein Scheingeschäft, welches den Inhalt 
eines an sich bereits vollkommen gültigen Rechtssatzes in der Gestalt eines über- 
lieferten, aber an sich vollkommen überflüssigen Rechtsgeschäftes wiederholte. Beim 
Ausgange der männlichen Linie eines reichsständischen Hauses konnte daher nicht 
mehr die R. und ihre Descendenz berufen werden; vielmehr gelangte, trotz mehr- 
 
	        
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