382 Reichsfinanzwesen.
die Bierbesteuerung durch die Landesgesetzgebung zu regeln, und die Steuer selbst
fließt in die Landeskassen. Dafür bezahlen die betreffenden Staaten je ein Aversum
an die Reichskasse, welches für die drei erstgenannten Staaten in die Matrikular-
beiträge ein-, für Elsaß-Lothringen aber selbständig berechnet wird.
5) Die sub 3 angegebenen Sätze gelten für die angeführten Staaten, aus-
genommen Elsaß-Lothringen, ebenso hinsichtlich der Besteuerung des Branntweins.
6) Die vom Reichszollgebiet ausgeschlossenen Gebietstheile des Reiches bezahlen
anstatt der Zölle ebenfalls ein bestimmtes Aversum zur Reichskasse, welches nach
der Bevölkerungsziffer (die Zollabrechnungsbevölkerung ist alle drei Jahre festzustellen,
Zollvereins-Vertrag Art. 11) zu berechnen ist, wozu für die Städte Bremen
und Hamburg noch ein Mehrbetrag von 3 Mark pro Kopf der Bevölkerung ge-
schlagen wird.
VI. Die formelle Feststellung der Reichseinnahmen und Reichs-
ausgaben. Die sämmtlichen Einnahmen und Ausgaben des Reiches sind nach der
Verfassung alljährlich in einen genau geordneten Voranschlag zu bringen, der
durch Gesetz festgestellt wird (Reichshaushalt, Ctat, Budget, RVerf. Art. 69).
Ueber die rechtliche Natur des Budgetgesetzes besteht in der Theorie ein mit großer
Lebhaftigkeit geführter Streit: nach der Meinung von Gneist und Laband,
welcher sich fast alle Theoretiker des Staatsrechtes angeschlossen haben (ausgenommen
nur v. Rönne), ist das Budgetgesetz kein Gesetz im materiellen Sinne des
Wortes und steht in Konsequenz hiervon auch nicht unter den für „materielle"“
Gesetze geltenden Rechtsgrundsätzen, wobei es dann gleichgültig ist, ob man
dem Budget den Charakter des Gesetzes überhaupt abspricht (Gneist) oder ob
man eine besondere Kategorie von „formellen“ Gesetzen konstruirt, denen alle
rechtlichen Eigenschaften der Gesetze fehlen, da sie nicht „Rechtsvorschriften“, son-
dern „Rechnungsposten“, „Wirthschaftspläne“ u. dgl. enthalten (Laband). Eine
juristische Basis wird sich für diese Lehre vom Budget nicht gewinnen lassen, wie
dies auch neuerdings v. Martitz treffend ausgeführt hat. Mag man politisch mit
Gneist noch so lebhaft von der Reformbedürftigkeit des Deutschen Budgetrechtes
überzeugt sein, juristisch werden für das Budgetgesetz keinerlei andere Grundsätze
maßgebend sein können als für alle übrigen Gesetze. Der juristische Sinn des Bud-
getgesetzes wird aber hiernach dahin bezeichnet werden müssen: die gesammte Finanz-
wirthschaft des Reiches ist alljährlich auf gesetzliche Grundlage zu stellen, indem durch
„Voranschlag“ auf Grund der bisherigen Erfahrungen und Berechnungen 1) die Ein-
nahmeposten approximativ fixirt werden; dadurch wird der Regierung einmal die
juristische Möglichkeit gegeben, die betreffenden Einnahmen nach Maßgabe der vor-
handenen Gesetze für das Etatsjahr überhaupt zu erheben (Zölle, Steuern, Gefälle 2c.);
die dauernd für die einschlägigen Materien vorhandenen Gesetze bedürfen somit, um
ausgeführt werden zu können, alljährlich eines neuen, besonderen Ausführungsgesetzes,
als welches das Budgetgesetz in seinen auf die Einnahmen bezüglichen Positionen
sich darstellt. Die Berechnung der einzelnen Posten selbst kann freilich der Natur
der Sache nach nur ein „Voranschlag“, eine approximative Feststellung sein und hat
wesentlich nur rechnerische Bedeutung. Wird dieser Anschlag nicht erreicht, so ist
es die Aufgabe der Gesetzgebung, auf dem Wege eines Nachtragsgesetzes das Erfor-
liche anzuordnen, wird der Anschlag überschritten, so wird über den erzielten Ueber-
schuß gleichfalls durch Nachtragsgesetz oder bei Gelegenheit des nächstjährigen Etats
zu bestimmen sein. Immer aber werden Ausfälle wie Ueberschüsse gegenüber dem
Voranschlag auf gesetzlichem Wege wie der Etat selbst zu reguliren sein. 2) Die
zweite Gruppe des Etats bilden die Ausgabepositionen. Auch sie können nur
approximativ, nur im „Voranschlag“ in das Gesetz eingestellt werden. Der juristische
Sinn dabei ist auch hier zunächst der, daß die Regierung die betreffenden Ausgaben
für die im Gesetz bezeichneten Zwecke überhaupt zu machen juristisch berechtigt ist.
Es bedürfen also die Gesetze, welche jene Institutionen dauernd normiren, hinsichtlich