Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

32 Pensionsberechtigung. 
Die Ausübung der P. ist entweder eine freiwillige oder eine gezwungene. 
Es kann der Berechtigte seine Pensionirung entweder selbst beantragen oder sie kann 
wider seinen Willen gegen ihn ausgesprochen werden. Beide Fälle finden sich so- 
wol im Reichs-, wie im Landesrecht. Das Gesetz vom 27. Juni 1871 über die 
Militärpensionen führt den Fall einer unfreiwilligen Pensionirung nicht besonders 
an, wol aber das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten vom 31. März 
1873. Nach ihm ist der Beamte befugt, auf seine Pensionirung anzutragen, und 
hat seinen Antrag bei der ihm unmittelbar vorgesetzten Dienstbehörde anzubringen. 
Sie reicht ihn mit ihrer Erklärung über die Dienstunfähigkeit des Antragstellers der 
obersten Reichsbehörde ein, welche über ihn definitiv zu entscheiden hat. Ihre Ent- 
scheidung bedarf der Genehmigung des Kaisers, wenn der Beamte eine Kaiserliche 
Bestallung empfangen hatte. Im Uebrigen ist sie nach den §§ 54 und 155 l. c. 
maßgebend und kann auch, da der Gesetzgeber die Frage über die Rechtmäßigkeit 
der Pensionirung dem Rechtswege entzogen und der Verwaltungsbehörde unterbreitet 
hat, im Wege des Prozesses nicht angefochten werden (Erk. des Reichsgerichts vom 
9. Januar 1880 — Entsch. Bd. I. S. 34). Dagegen ist über die Höhe des 
Pensionsbetrages der Rechtsweg zulässig und zur Entscheidung des Rechtsstreites das 
Landgericht ausschließlich zuständig — §70 des G. —. Stellt der Beamte den 
Pensionirungsantrag nicht, obwol der Fall der Dienstunfähigkeit vorliegt, so wird 
ihm oder einem ihm zu bestellenden Kurator von seiner vorgesetzten Dienstbehörde 
unter Angabe der Gründe erklärt, daß der Fall seiner Pensionirung vorhanden sei. 
Wenn binnen sechs Wochen gegen diese Erklärung keine Einwendungen erhoben 
werden, so wird angenommen, daß er mit derselben einverstanden sei, und ebenso 
verfahren, als hätte er den Antrag gestellt. Erhebt er Einwendungen, so bestimmt 
nach Prüfung der Sachlage die oberste Reichsbehörde, ob das Zwangsverfahren fort- 
zusetzen sei oder nicht. Bejahendenfalls erfolgt durch einen von ihr beauftragten 
Beamten die Vernehmung der Zeugen bzw. Sachverständigen über die von dem Be- 
amten bestrittenen Thatsachen und Angaben, aus welchen die vorgesetzte Dienstbehörde 
das Vorliegen seiner Dienstunfähigkeit gefolgert hat. Nachdem der Beamte oder 
sein Kurator zum Schluß vernommen worden, entscheidet auf Grund der Verhandlungen 
die oberste Reichsbehörde bzw. der Kaiser. 
Diesen Vorschriften schließt das Preuß. Landesrecht sich im Allgemeinen an. 
Die Bestimmung darüber, ob und zu welchem Zeitpunkte dem Pensionsantrage des 
Beamten stattzugeben sei, erfolgt durch den Departementschef, welche bei den mit 
Königl. Bestallung versehenen Beamten der Genehmigung des Königs bedarf: die 
Entscheidung darüber, ob und welche Pension dem Beamten zusteht, hat der De- 
partementschef in Gemeinschaft mit dem Finanzminister. Während in Ansehung 
jener Bestimmung der Rechtsweg ausgeschlossen ist, steht er dem Beamten gegen die 
letztere Entscheidung in Gemäßheit des Gesetzes vom 24. Mai 1861 offen, und ist 
für den Rechtsstreit nach § 24 des Gesetzes vom 24. April 1878 das Landgericht 
ausschließlich zuständig. In Ansehung des Zwangsverfahrens wird zwischen richter- 
lichen und nichtrichterlichen Beamten unterschieden. Bei den letzteren tritt ein dem. 
reichsrechtlichen analoges Verfahren ein. Jedoch ist bei erfolgtem Widerspruch der 
vorgesetzte Minister die entscheidende Behörde. Gegen seine Entscheidung steht dem 
Beamten binnen vier Wochen nach der Zustellung derselben der Rekurs an das 
Staatsministerium offen. Das Verfahren bei richterlichen Beamten regeln die 
§§ 56 ff. des Disziplinargesetzes vom 7. Mai 1851. Nach ihnen geht die an den 
Beamten oder den zu bestellenden Kurator zu erlassende Erklärung von dem direkten 
Vorgesetzten aus, also bei Mitgliedern der Amts= und Landgerichte von dem Land- 
gerichtspräsidenten, bei denen der Oberlandesgerchte von dem Oberlandesgerichts- 
präsidenten, und zwar entweder von Amtswegen oder auf den Antrag der Staats- 
anwaltschaft. Erachtet im letzteren Falle der Vorgesetzte den Erlaß der Erklärung 
nicht für angemessen, so entscheidet über den Antrag des Staatsanwalts der Dis-
	        
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