886 Reichsgericht.
Lit.: Georg Meyer, Lehrbuch, 88, 204, 208, 209. — Rönne, Staatsrecht,
9 85 fl. — Laband in Pürtin 3 Annalen 1873, 405—566. — M. Wegn! in v. Holtzen=
orff's Jahrbuch I. 581 ff.; III. 60 ff. — Seydel, Das Deutsche Reich als Privatrechts-
subjekt, in Zeitschr. für Deutsche Gesetzgebung VII. 226 ff. — Ueber das Budgetrecht: Fricker,
Steuerverwilligung u. ingnghh in Tüb. Ztschr. für das ges. Staatsrecht XVII. 686 ff. —
Gneist, Budget und Gesetz, 1867; Derselbe, Gesetz und Budget, 1880. — Laband, Das
Budgetrecht, 1867. — H. Schulze, Das Finanzrecht, in Grünhut's Sschr. für Privat-
und öffentliches Recht, II. 161 ff. — v. Marthe Betrachtungen. 98 Derselbe in
Tüb. Ztschr. für das gef. Staatsrecht XXXVI. 20 — Dagegen G. Meyer in Grün-
hut- Zeitschr. VIII. 1—53; ferner die betr. Alschseunl in d. zusen staatsrechtl. Werken von
Rönne, Schulze, v. Gerber, Zachariä, v. Mohl, v. Zöpfl, v. Held, Pözl,
Srunk sekkil. — Ueber den Rechnum ghof s. ie anonyme Abhandlung in Tüb. ischr. f. das
* Staatsrecht XXXII. 479 ff.; XXXIII. 23 ff. — Ueber das Zollwesen s. die Arbeiten von
Aufseß in Hirth's Annalen 1873— * W sowie die einschlägigen Artikel dieses Autors in
diesen Werke. — Eine Hauptgquelle für die Erkenntniß des Reichs- finanzrechts bilden ferner die
vielfachen, das Finanzwesen betreffenden Verhandlungen des Reichstags. Zorn.
Reichsgericht. (Vgl. d. Art. Gerichtsverfassung.) Die Gerichtsbarkeit,
welche das R. ausübt, erstreckt sich über das gesammte Gebiet des Deutschen Reichs.
Dieses Resultat wäre zu erreichen gewesen auch ohne die Schaffung eines Gerichts,
welches staatsrechtlich den Charakter eines R., d. h. eines Gerichtes des Deutschen
Reiches, gehabt hätte. Denn es giebt Oberlandesgerichte und auch Landgerichte,
deren Gerichtsbarkeit nicht durch die Grenzen eines einzelnen Bundesstaates ein-
geschränkt ist, sondern die Gebiete mehrerer Bundesstaaten umfaßt. Dieses Resultat
ist aber ohne irgend welche Mitwirkung des Reiches durch Verträge unter den ein-
zelnen Bundesstaaten erreicht, und die von solchen Gerichten ausgeübte Gerichts-
barkeit ist aus diesem Grunde auch eine landesstaatliche Gerichtsbarkeit. In ähn-
licher Weise wäre es nun an sich auch möglich gewesen, daß sämmtliche Deutsche
Bundesstaaten vertragsmäßig dahin übereingekommen wären, einen gemeinsamen
höchsten Gerichtshof zu errichten und diesem eine vertragsmäßig bestimmte sachliche
Zuständigkeit für das gesammte Gebiet des Deutschen Reiches zu übertragen. In
solchem Falle wäre ein Gericht geschaffen, welches, trotz seines Charakters als höchst-
instanzlichen Gerichts und trotz des Umfanges seiner Gerichtsbarkeit über das ganze
Reich, doch nur landesstaatliche Gerichtsbarkeit ausgeübt hätte und des staatsrecht-
lichen Charakters eines R. entbehrt hätte. Der staatsrechtliche Unterschied, welcher
zwischen dem R. und allen anderen ordentlichen Gerichten im Deutschen Reiche be-
steht, ist aber gerade der, daß das R. die Gerichtsbarkeit des Deutschen Reichs
ausübt. Daß nun aber dem Deutschen Reiche überhaupt richterliche Gewalt zustehe,
das ist in der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871 nicht zum
Ausdrucke gekommen. Die Artikel 74 und 75 berücksichtigten zwar den Fall, daß
das Reich auch des richterlichen Schutzes gegen widerrechtliche Angriffe bedürfen
könnte. Aber selbst wenn die Bestimmungen der Art. 74 und 75 zur Ausführung
gekommen wären, so würde doch das Oberappellationsgericht zu Lübeck nicht ein
R. geworden, sondern ein Landesgericht geblieben sein, welches im Interesse des
Reiches richterliche Funktionen ausgeübt hätte. Daß die richterliche Gewalt ein
Attribut der Reichsgewalt sei, ist erst durch das Gerichtsverfassungsgesetz, sowie durch
die Civilprozeß= und Strafprozeßordnung zum Ausdruck gekommen; das R. übt die
dem Reiche zustehende richterliche Gewalt in dem Umfange und unter Beobachtung
desjenigen Verfahrens aus, wie solches durch die Reichsgesetze bestimmt ist.
Aus der Natur des R. als eines Gerichts, welches dazu bestimmt ist, die Ge-
richtsbarkeit des Deutschen Reiches auszuüben, ergeben sich für die Organisation
desselben folgende Einzelnheiten. 5
Die Mitglieder des R. sind Reichsbeamte; kein Landesherr kann ein Mitglied
des R. ernennen. Die Ernennung des Präsidenten, der Senatspräsidenten und der
Räthe erfolgt durch den Kaiser auf Vorschlag des Bundesrathes (GVG. 8 127),
d. h. die Ernennung bleibt auf diejenigen beschränkt, welche der Bundesrath vor-
schlägt; aber der Kaiser ist berechtigt, die Vorgeschlagenen abzulehnen und neue Vor-