394 Rcichsiustizamt — Reichskanzler.
Reichsanwaltschaft (München und Leipzig) —; Archiv civilrechtlicher Entscheidungen — herausg.
von Mecke und Fenner (Berlin) —; und Annalen des Reichsgerichts, Sammlung aller
wichtigen Entscheidungen des Reichsgerichts sowie aller auf die Reichsrechtsprechung bezüglichen
Erlasse und Verfügungen. Unter Mitwirkung von Karl Braun herausgeg. von Dr. Paus
Blum (Leipzig). In em ersten Hefte dieser „Annalen“" finden sich S. 1 ff. die Verfügungen
über die Geschäftsorganisation des Reichsgerichts für das Jahr 1879 und S. 18 ff. die gleichen
Verfügungen für das Jahr 1880. John.
Reichsjustizamt. Als Erweiterung des Reichskanzleramts wurde im Jahre
1875 eine vierte Abtheilung dieses obersten Reichsamts für die Justizangelegenheiten
des Reichs begründet. Eine als Anlage I. zum Reichshaushaltsetat für 1875 ab-
gedruckte Denkschrift bezeichnete die dienstlichen Aufgaben, denen das Reichskanzleramt
nach dieser Erweiterung gerecht werden sollte. Im Reichshaushaltsetat für das
Vierteljahr vom 1. Januar bis 31. März 1877 (R.G. Bl. 1876, S. 239) erscheint
das R. als selbständiges oberstes Reichsamt neben dem Reichskanzleramt; als solches
besteht dasselbe seit Anfang 1877 unter Leitung eines Staatssekretärs. Nach dem Etat
des Jahres 1881—82 ist das R. unter dem Staatssekretär und einem Direktor mit
6 vortragenden Räthen und zwei etatsmäßigen Hülfsarbeitern besetzt. Seitdem 1879
die Betheiligung des R. an den Geschäften der Landesverwaltung von Elsaß-Lothringen
beseitigt worden, beschränkt sich der Kreis der Verwaltungsgeschäfte des R. auf die
Bearbeitung der Angelegenheiten, welche das Reichsgericht und die Reichsanwaltschaft
sowie die Kommission zur Ausarbeitung des bürgerlichen Gesetzbuchs betreffen. Im
Uebrigen übt das R. eine begutachtende Thätigkeit in allen ihm zu diesem Zwecke
zugewiesenen Angelegenheiten des Reichs, es hat die Aufgabe, die Gesetzgebung des
Reichs auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts, des Strafrechts und des Ver-
fahrens vorzubereiten. An und für sich hat der Reichskanzler (als oberster Beamter
der Reichsverwaltung) und also auch des R. verfassungsmäßig nicht das Recht, Ge-
setzentwürfe dem Bundesrath zur Beschlußfassung vorzulegen. Aber theils hat der
Bundesrath selbständig oder auf Anregung des Reichstages, der dem Reichskanzler
eine gesetzgeberische Aufgabe zur Erwägung überwies, die Ausarbeitung von Gesetz-
entwürfen bei dem Reichskanzler wiederholt angeregt, theils wird das R. für ver-
pflichtet erachtet werden müssen, die der Reichsgesetzgebung überwiesenen Angelegen-
heiten dauernd auf das hervortretende Bedürfniß gesetzgeberischer Neuerungen zu prüfen,
und nach der Feststellung des Bedürfnisses unter Zustimmung des Reichskanzlers das
gewonnene Ergebniß den einzelnen Staaten zu unterbreiten. In dieser Weise sind
eine große Reihe von Gesetzentwürfen, z. B. die Rechtsanwaltsordnung, die ver-
schiedenen Kostengesetze des Reichs, das Gesetz über Anfechtung von Rechtshandlungen
außerhalb des Konkurses, im R. ausgearbeitet, als Preußische Vorlage von dem
Bundesrath genehmigt, und im Auftrage des Kaisers von dem Reichskanzler an den
Bundesrath gebracht und zu Gesetzen geworden. Dasselbe gilt von dem im Jahre
1880 dem Reichstag vorgelegten Wuchergesetz, während zwei umfangreiche Entwürfe
eines Gesetzes über das Faustpfandrecht für Pfandbriefe und ähnliche Schuld-
verschreibungen und eines Gesetzes betreffend das Pfandrecht an Eisenbahnen und die
Zwangsvollstreckung in dieselben, die auf Anregung des Reichstags ausgearbeitet
waren, nach zweimaliger Vorlegung im Reichstage unerledigt geblieben und 1881
nicht wieder vorgelegt sind. — Eine erhebliche Thätigkeit hat das R. ferner bei der
Ausführung der Reichsjustizgesetze in der Ueberwachung der Landesgesetzgebung zu
üben gehabt; die gleiche Aufgabe wird voraussichtlich auch fernerhin die Thätigkeit
mannigfach in Anspruch nehmen. Eccius.
Reichskanzler. Durch Präsidialverordnung vom 14. Juli 1867 (B.G.Bl.
23) war der Preußische Minister des Auswärtigen Graf von Bismarck-Schön-
hausen zum Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes „in Ausführung der Bestim-
mungen der Verfassung“ ernannt worden. Die Bestimmungen der Norddeutschen
Bundesverfassung über das Amt des Bundeskanzlers sind unverändert in die Deutsche
Reichsverfassung übergegangen. Der R. wird vom Kaiser ernannt (RVerf. Art. 15,