Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Reichskriegsschatz. 399 
ordentlichen Bedarf der Militär= und Marineverwaltung und die Dotirung des 
Staatsschatzes vom 28. Sept. 1866, beruhend auf einem Amendement Michaelis- 
Roepell und (im letzten Satze) auf einem Unteramendement Lasker. Danach 
sollte der Staatsschatz aus den Kriegsentschädigungsgeldern zunächst auf 27¼ Mill. 
(indem man davon Abstand nahm, die Grundsteuerkosten von den Verpflichteten 
einzugiehen) wieder dotirt werden. Es wurden ferner die dem Staatsschatz durch die 
Kab. Ordres vom 17. Jan. 1820 und 17. Juni 1826 zufließenden Einnahmen 
demselben von Neuem zugesichert. Es wurde aber gleichzeitig festgesetzt, daß diese 
Einnahmen, sobald die baaren Bestände des Staatsschatzes auf 30 Millionen erhöht 
werden würden, dem allgemeinen Staatsfonds zufließen sollten, und daß diese, 
soweit nicht über sie als Deckungsmittel im Staatshaushalte oder anderweitig unter 
Zustimmung des Landtages verfügt werde, zur Tilgung von Staatsschulden zu ver- 
wenden seien. Es war also der Staatsschatz kontingentirt, und es durfte die Re- 
gierung damit um so mehr einverstanden sein, als die Aufgabe des Staatsschatzes 
bei der Entwickelung des heutigen Kredits nicht mehr die sein kann, die Mittel zur 
Kriegführung anzusammeln, sondern nur die, die für die eigentliche Mobilmachung 
sofort erforderlichen Mittel zu gewähren. Ein Amendement Twesten, wonach der 
Staatsschatz nur mit einer Resolutivbedingung, mit einem terminus ad quem, 
nämlich bis Anfang 1870, bewilligt werden sollte, so daß also der Regierung nur 
die Mittel zu einer augenblicklichen Kriegsbereitschaft geboten wären, gelangte nicht 
zur Annahme. 
5) Obgleich der Art. 48 der Verfassung des Norddeutschen Bundes lautet: 
„Die Kosten und Lasten des gesammten Kriegswesens des Bundes sind von allen 
Bundesstaaten und ihren Angehörigen gleichmäßig zu tragen, so daß weder Bevor- 
zugungen noch Prägravationen einzelner Staaten oder Klassen grundsätzlich zulässig 
sind“, und obgleich der Preußische Finanzminister in der Sitzung des Abgeordneten- 
hauses vom 25. Sept. 1866 als die Absicht der Regierung hingestellt hatte, daß 
von den übrigen Regierungen des Norddeutschen Bundes eine verhältnißmäßige 
OQuote in den Staatsschatz gelegt werden sollte, so ist das nicht einmal hinsichtlich 
derjenigen Staaten geschehen, welche mit Preußen Militärkonventionen abgeschlossen 
haben. Dessenungeachtet kam der Preußische Staatsschatz bei der Mobilmachung im 
Jahre 1870 dem ganzen Norddeutschen Bunde zu Gute, und wenn allerdings 
Sachsen davon keinen Gebrauch gemacht hat, so sind dagegen nach Süddeutschland 
Beträge aus dem Staatsschatz abgegeben worden. Uebrigens hat sich damals der 
Nutzen eines solchen Instituts von Neuem in solchem Maße herausgestellt, daß, nach 
den Worten Bismarck's: „wenn wir den Staatsschatz nicht gehabt hätten, wir 
positiv nicht im Stande gewesen sein würden, die Paar Tage zu gewinnen, welche 
hinreichten, das gesammte linke Rheinufer vor der Französischen Invasion zu schützen“ 
(Sitzung des Reichstages vom 4. November 1871). Es ergiebt sich das doch auch 
auf das Klarste, wenn man bedenkt, wie viel Zeit die legislative Behandlung der 
Kreditfrage unter allen Umständen in Anspruch nimmt, und daß, obgleich der 
Reichstag unmittelbar bei Eintritt der Kriegsgefahr und noch vor der offiziellen 
Kriegserklärung berufen wurde, und obgleich derselbe mit größter Beschleunigung die 
Geldforderungen der Bundesregierungen bewilligte, der Termin für die Subfkription 
auf die beschlossene Anleihe aber so nahe gerückt war, daß der Erfolg derselben 
darunter gelitten hat, doch zwischen der Mobilmachung und der Subskription mehr 
als vierzehn Tage in der Mitte lagen. Dazu kommt, daß in der Zeit vom 15. Juli 
bis zum 3. August die täglichen Mobilmachungsausgaben etwa 2 Millionen be- 
trugen, so daß der Tag der Subskription von der Regierung sehnsüchtig erwartet 
wurde. Und dabei darf endlich nicht vergessen werden, daß die damalige Kriegs- 
anleihe beim Kurse von 88 zu 5 Prozent noch nicht einmal zu zwei Drittheilen 
zu Stande gekommen ist und daß die 5-prozentigen Preußischen Papiere vom 5. bis 
19. Juli von 102⅝ auf 87 gewichen sind.
	        
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