Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Reichs= und Staatsangehörigkeit. 413 
Geschäftsordnung genaue Vorschriften. Wird die Vorlage bei der zweiten Lesung 
abgelehnt, so wird in die dritte nicht mehr eingetreten. Andernfalls hat bei der 
dritten Lesung eine General= und eine Spezialberathung zu erfolgen und ebenso hat 
die Abstimmung sowol über jeden einzelnen Artikel als zum Schluß über die ganze 
Vorlage zu geschehen. Anträge von Mitgliedern des R., welche nicht den Charakter 
von Gesetzentwürfen tragen, werden in einmaliger Berathung erledigt. Die Beschluß- 
fassung erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit; eine solche darf überhaupt nur er- 
folgen, wenn mehr als die Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl des R. anwesend 
ist. Dies wird regelmäßig präsumirt, doch kann jedes Mitglied jeder Zeit Aus- 
zählung verlangen. Die Verhandlungen des R. sind zu protokolliren: die Proto- 
kolle enthalten jedoch nur die gefaßten Beschlüsse und gestellten Interpellationen bzw. 
deren Beantwortung im Wortlaut, ferner die offiziellen Anzeigen des Präsidenten; 
dieselben sind vom Präsidenten und zwei Schriftführern zu vollziehen, sie sind die 
einzigen offiziellen Urkunden über die Thätigkeit des R. Die stenographischen Be- 
richte, welche einen wortgetreuen Bericht über die Sitzungen geben, sind nicht offi- 
ziell, werden aber von den Schriftführern revidirt. Die Verhandlungen des R. sind 
durch besondere Strafsanktionen geschützt (RStraf GB. 8§ 105 u. 106). 
Gsgb.: RVerf. Art. 5, 12, 13, 16, 20—32, 69—73. — Wahlgesetz vom 31. Mai 1869 
(B.G. Bl. S. 145), dazu Vollzugs-Verordn. des Bundesrathes vom 28./31. Mai 1870 (Wahl- 
reglement), 27. Februar 1871, 1. Dez. 1873 (B.G.Bl. 1870 S. 25, 289; R.G. Bl. 1871 S. 35; 
R. G.Bl. 1873 S. 373). — Gesetz vom 24. Febr. 1873 (R.G.Bl. S. 45) betr. Aufhebung des 
Art. 28 Abs. 2 der RVerf. — Gesetz vom 20. Juni 1873 (R G.Bl. S. 144) Abänderung zweier 
Wahlkreise betr. — RStraf GB. §§ 105—109, 339, 11, 12.— Militär-Gesetz vom 2. Mai 1874 
(R.G.Bl. S. 45) § 49. — Geschäfts-Ordnung des Reichstages vom 10. Febr. 1876 (die neueste 
Sisng bei Hirth, Annalen 1879 S. 490 ff). — CPO. 8§ 785, 347, 367, 786. — StrafP O. 
* 49, 72. — GV. Ss 35, 85. 
Lit.: Laband, Staatsrecht, I. §§ 47—53. — Meyer, Lehrbuch, 88 128—133. — 
Thudichum, Verfassungsrecht, 132, 219. — v. Mohl, Reichsstaatsrecht, 331 ff. — Riedel, 
Komment., 31 ff. — Seydel, Komment., 138 ff. — Held, Merf., 118 ff. — v. Rönne, 
I. §§ 28—40. — Zorn, Lehrb., I. 8§ 6, 7, 11.— Westerkamp, NVerf, 35 ff., 222 ff. — 
Jolly, Der Reichstag und die Parteien, 1880. — v. Mohl, Kritische Bemerkungen über 
die Wahlen zum Deutschen Reichstag, 1874. — Seydel, Der Reichstag, in Hiath Annalen 
1880 S. 352 ff. — v. Martitz, Ueber den konstitutionellen Begriff des Gesetzes, in Tübinger 
Zeitschr. für Staatswissenschaft 36. Jahrg. S. 208 ff. — Dagegen G. Meyer in Grün- 
hut's Zeitschr. für Privat= und öffentliches Recht VIII. 1 ff. Zorn. 
Reichs- und Staatsangehörigkeit. 1. Geschichte. 1) Die Frage, wie das 
Preußische Indigenat erworben werde, und welche Personen als Preußische Unter- 
thanen anzusehen seien, hatte im Allg. LR. keine zureichende Antwort gefunden, und 
war auch noch beinahe ein halbes Jahrhundert später nicht bestimmt entschieden; 
im Allgemeinen wurde jedoch angenommen, daß schon der Wohnsitz innerhalb der 
Preußischen Staaten die Eigenschaft als Preuße begründe, besondere Uebereinkünfte 
mit den meisten Deutschen Regierungen ergänzten den schwankenden Begriff der 
Staatsangehörigkeit. 
Erst das Gesetz vom 31. Dez. 1842 über die Erwerbung und den Verlust der 
Eigenschaft als Preußischer Unterthan, welches mit den beiden anderen Gesetzen von 
demselben Tage über die Aufnahme neu anziehender Personen und über die Armen- 
pflege ein zusammenhängendes System bildet (vgl. d. Art. Freizügigkeit), hat 
einen festen Rechtszustand begründet. Die Eigenschaft als Preuße entstand danach 
durch Abstammung, resp. Legitimation, durch Verheirathung und durch Verleihung, 
resp. Anstellung; dagegen hatte der Wohnsitz innerhalb des Preußischen Staates für 
sich allein diese Wirkung nicht mehr. Die Begründung der Eigenschaft als Preußischer 
Unterthan durch Verleihung erfolgte mittels Ausfertigung einer Naturalisations- 
urkunde hitens der Landespolizeibehörden (Provinzialregierungen resp. Polizeipräsidium 
zu Berlin).
	        
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